Hoch hinaus – mit Füßen und Herzen

KatharinaDatum: Freitag, der 14.11.2014
Mittagsposition: Santa Cruz de Tenerffa
AutorIn: Katharina

In der Dunkelheit dieses Freitagmorgens wurden wir aus dem Schlaf geholt – das letzte Stück zur Spitze des Teide stand uns bevor. Mit umgepackten Rucksäcken und warmer Kleidung ausgestattet zogen wir los. Im gleißenden Licht des Halbmonds, der so hell wie ein Vollmond strahlte, setzten wir bedacht einen Fuß vor den anderen. Im Gänsemarsch die Serpentinen hoch. Gleichmäßig ging es dem Gipfel entgegen, durchsetzt mit regelmäßigen Trinkpausen, um der Höhenkrankheit Einhalt zu gebieten. Bei dieser Gelegenheit wurden die Kopfweh-Kandidaten mit Cola versorgt und Rucksäcke weitergegeben. Jeder nahm sich zusätzlich die Pausen, die er brauchte, denn vor allem der Endspurt verlangte nochmal einiges an Kraft ab. Durch die zu Stufen angeordneten Steine, die im Mondlicht in Graustufen unter unseren Füßen dahin liefen, konnte man sich dort seine Tritte nicht mehr selbst aussuchen, weshalb die Po-Muskulatur verstärkt zum Einsatz kam.

Bald färbten sich die Wolken am Horizont über dem Krater des alten Vulkans, in dem der Teide eingebettet ist, in Pink- und Rottönen, während der restliche Himmel, mit Sternen gespickt, im Dunkeln blieb. Um uns herum lichteten sich allmählich die Spitzen der niedrigeren Berge, doch unser Pfad schlängelte sich weiterhin durch Geröllblöcke. Eis- und Schneeflecken spitzten mit zunehmender Kälte am Wegesrand aus kleinen Höhlen hervor; aus kleinen Schlitzen hauchte der Berg warme Gaswölkchen, denen Schwefelgeruch anhaftete. Und plötzlich waren wir da – oben, ganz oben. Oben auf der Spitze des Teide, auf 3718 Höhenmetern. Glücksgefühl und Stolz stieg in mir hoch, aber auch Ungläubigkeit machte sich in mir breit: Wir hatten es geschafft, ohne eine einzige Ausnahme! Alle standen wir hier oben, alle hatten wir durchgehalten, alle saßen wir hier auf dem kühlen, zackigen Felsen in der windigen Eiseskälte und ließen uns vom Zauber der aufgehenden Sonne gefangen nehmen. Weil die Farbe des Himmels sich immer mehr in weiche, helle Blautöne verwandelte, verschwanden nach und nach die Sterne und machten Platz für bizarre Wolkengebilde, die von der spiegelglatten Wasseroberfläche des Meeres reflektiert wurden. Gleichzeitig tauchte von einem Moment auf den anderen die Sonne am Horizont auf und hauchte einen Gelbstich in die Farbenkomponente. Man konnte die Kreisform des Feuerballs im strahlenden Licht erkennen, der flackernde Umriss schien deutlich sichtbar zu brennen. Und wir saßen dort oben und durften dieses Geschenk bewundern, versanken in der Schönheit dieses Morgens. Mit einem Mal wurde mir unser starker Zusammenhalt bewusst, der dafür gesorgt hatte, dass wir wirklich alle soweit gekommen waren, sodass mir gerührt einige Tränen aus dem Augenwinkel kullerten. Glücklich lehnte ich mich an die Schulter neben mir und genoss einfach nur dieses faszinierende Spiel von Farben, Licht und Wolken. Unzählige Male klickten die Kameras, auch wenn Fotos natürlich nie die wundervolle Realität wiedergeben können. Ein kleines Stückchen Glücksgefühl halten sie wohl dennoch fest.

Natürlich wollte jeder ein Bild von sich auf dem Vulkan im tollen Licht der Sonne, ebenso wie Gruppenfotos in allen möglichen Konstellationen. Bevor uns allerdings die Hände im eisigen Wind abfroren, konnte sich jeder, dem danach war, an den Abstieg wagen.
Hin zu den Serpentinen und der Wärme ging es also Stufe für Stufe wieder hinab. Allmählich waren die Finger dann wieder zu spüren und vereinzelt lugten robuste Pflanzen aus dem staubigen Boden. An der Hütte machten wir Halt, ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen, gönnten uns den Milchreis und einige Minuten der Ruhe, um die Eindrücke der letzten Etappe und der letzten Stunden zu verarbeiten. Bis um 14 Uhr wollten wir allerdings wieder am Ausgangsparkplatz in den Bus einsteigen, deshalb marschierten wir in Gruppen mit verschiedener Schnelligkeit Meter für Meter die Serpentinen wieder hinab. Hatte der Aufstieg einiges an Kraft abverlangt, so forderte der Abstieg eine große Portion Konzentration.

Wieder zu Hause an Bord der Thor gab es gleich nochmal Grund für Ergriffenheit: Der Bordarzt Christian, den wir an diesem Nachmittag kennenlernten, hatte Post mitgebracht, so dass sich schon bald ein jeder von uns mit den Zeilen von Zuhause in eine ruhige Ecke des Schiffs krümelte und erneut an diesem Tag flossen einige Tränen.

Alles in allem ein Tag voll schöner, unvergesslicher Momente!

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