Unterricht – wie war das nochmal zuhause?

sorayaDatum: Montag, der 01.12.2014
Mittagsposition: 14° 24,2′ N; 039° 49,2′ W
Etmal: 112 sm
Wetter: Lufttemperatur: 28,5° C, Wassertemperatur: 27°C, Wind: ESE5
Autorin: Soraya

Schon wieder ist Montag und dazu auch noch der erste Dezember. Nachdem das erste Türchen geöffnet ist, müssen Michael und ich auch schon die Tafel an Deck bringen, da der Unterricht gleich los geht.
Was die anderen wohl zuhause in der Schule machen?
Meine Freunde daheim haben nicht nur jeden zweiten Tag, so wie wir, Unterricht, sondern jeden Tag, und sie müssen wohl kaum die Tafel an Deck tragen und am Deckshaus befestigen, weil sie für einen Tag Unterrichtsbeauftragte sind. Ich stelle mir vor, wie alle zuhause in dicken Pullovern herumlaufen, was mir aber kaum gelingt, während ich den strahlendblauen Himmel betrachte.

Der Unterricht beginnt mit Mathe und Physik bei Peter, wobei es keinen allzu großen Unterschied zwischen dem Unterricht hier und in Deutschland gibt, abgesehen davon, dass wir an Deck eines Segelschiffes bei Sonnenschein sitzen und das Salzwasser unsere nackten Füße umspielt. Mittlerweile haben wir uns außerdem, glaube ich, alle angewöhnt, entweder direkt Anti-Rutsch-Decken zu benutzen oder einfach gleich alles festzuhalten, was durch das Schaukeln und den Wind ins Wasser fallen oder wegwehen könnte. Ich muss schmunzeln, als ich daran denke, wie es wieder daheim sein wird, wenn es nicht mehr schaukelt und man sich und alles andere, was nicht seefest ist, automatisch festhält.

Es geht weiter mit Spanisch bei Marijke und wo es unter normalen Umständen ruhig und leise während des Unterrichts wäre, lachen wir viel und um uns herum herrscht reges Treiben, typisch für den Bordalltag. Eine Wache läuft mit grünen Putzeimern herum und putzt ihre tägliche Reinschiffstation, die augenscheinlich das Deck ist.
„…Schot besetzt und klar…“ – „…hol durch die Schot, hol durch die Gei…“, ertönt es auf einmal und Befehle werden sich gegenseitig zugerufen, denen ich entnehmen kann, dass das Schonersegel mitschiffs geholt wird. Anscheinend übt die momentane Fahrwache wieder das Anleiten für die baldige Schiffsübergabe.
Es hat etwas Zeit gebraucht, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass hier an Bord im Gegensatz zu Zuhause ständig jemand „quer“ durch unser „Klassenzimmer“ brüllt oder läuft. Aber das sind nur ein paar der Dinge, die hier an Bord anders als zuhause sind.

Während des Biologieunterrichts werden drei weitere Schüler und ich gebeten aufs Achterdeck zu kommen, weil Detlef uns zeigt, wie wir mit dem Sextanten die Sonne schießen, damit wir heute Nachmittag mit diesen Daten während des Wahlpflichtfaches „Astronomische Navigation“ unsere Position berechnen können.
Nachdem der Biologieunterricht abgeschlossen ist und alle zu Mittag gegessen haben, gehen ein paar von uns noch in den Pool. Auch das ist etwas gänzlich Neues, denn Zuhause würde man wohl kaum mal schnell kurz vor dem Deutschunterricht in den Pool springen und zusammen mit anderen Schülern unseren Deutschlehrer Kai unter Wasser tunken.

Das Schulleben hier an Bord ist generell viel lockerer, zum Teil auch aufregender, aber auf jeden Fall ganz anders als in Deutschland. Zum Beispiel glaube ich kaum, dass es in Deutschland Wahlpflichtfächer wie Astronomische Navigation gibt, in dem man sich zum Beispiel auf die zweite Schiffsübergabe vorbereitet, da dort der Schwerpunkt auf Navigation ohne GPS und elektronische Geräte liegt. Mit Astronomischer Navigation endet dann auch der Unterricht und wir haben Freizeit.

Ich setzte mich draußen auf die Ladeluke und schließe für einen kurzen Augenblick die Augen, und denke sehnsüchtig an meine Schulfreunde zuhause in Deutschland und vergangene Schultage, bin aber dennoch glücklich, dass ich in diesem Moment hier sitze.

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