Wald à la Grenada

KatharinaDatum: Freitag, der 19.12.2014
Mittagsposition: 12°07,0′ N; 061°48,8′ W
Etmal: 0 sm
Autorin: Katharina

Bis heute war mein erster Gedanke bei „Regenwald“ die Vorstellung von dichten, feuchten Pflanzen und Lianen, die man mit der Machete durchschlagen muss, oder aber eine abgeholzte, kahle Fläche, die den Orang-Utans ihren Lebensraum wegnimmt. Jetzt wurde dieses stümperhafte Bild endlich ersetzt, denn wir waren mitten drin und konnten den grenadischen Regenwald mit allen Sinnen erfassen – er war neben einer Gewürzplantage ein wichtiges Ziel unserer Tour über die Insel.

Während der klapprigen Busfahrt die Serpentinen hinauf, gab der Busfahrer in für uns schwer verständlichem Englisch seine Erklärungen zur Umgebung ab. Als wir unseren Weg zu Fuß fortsetzten, gab es für die Ohren das Rauschen des kleinen Flusses zu hören, der regelmäßig unsere Waden angenehm kühl umspülte, wenn wir seine Bahn kreuzten und ihn deshalb durchquerten. Wer feste Wanderschuhe trug, konnte wahlweise auch den Weg über die Steine wählen und „übers Wasser laufen“, um die Hauptattraktion unserer Wanderung zu erreichen: Den Concord-Wasserfall. Dort wagten sich die Meisten ins kalte, flache Wasserbecken, das von den herabstürzenden Wassermassen aufgeschäumt wurde. Gegen den Strom anzukommen, war eine fast unmögliche, aber lustige Idee. Als jeder ein Foto von sich mit Wasserfall und Regenwald hatte, ging der Weg leicht bergab wieder zurück. Dabei hatten die Hände mehr zu tun, als beim Hinweg, Zum Beispiel, wenn sie sich zur Unterstützung der Balance an einer rauen Wurzel festhielten oder aber an feuchten, kantigen Felsbrocken, die immer eine leichte Dreckschicht auf der Handoberfläche hinterließen.

Der Boden war rutschig, denn wenn viele Leute über zähen Matsch marschieren, ist die Oberfläche eben bald ausgetreten. Darüber lagen überall Stöckchen und große, gelb-braune Blätter der Palmen, die unter anderem die Wegbegrenzung ausmachten. An manchen dieser Palmen entdeckten aufmerksame Augen Bananenstauden mit kleinen, grünen Früchten, deren Spitze eine dunkle, geschlossene Blüte mit weinrot-Stich bildete. Unsere Nasen rochen den Duft nach feuchter Erde, wie man ihn erstaunlich ähnlich in den Tropenhäusern von Tiergärten erleben kann. Allerdings waren die Lungen wesentlich weniger durch Luftfeuchtigkeit angestrengt, als das mit Gewächshaus um den Wald herum der Fall wäre.

Dieser Duft der Pflanzen war aber nicht der einzige, der unsere Nase an diesem Tag umschmeichelte, denn Gewürze sind selbstverständlich auch ein wahrer Genuss für das menschliche Geruchsorgan – meiner Meinung nach zumindest. Auf einem Gelände, das zwar nicht mehr zur Verarbeitung genutzt wird, wurden uns die traditionell angebauten Gewürze der Insel vorgestellt: von Muskatnuss, Lorbeerblättern, Kakao, Zimt und Nelken erhielt jeder ein kleines Stückchen auf die Hand, zum Schnuppern, Fühlen, Gucken und Schmecken. Mit ein paar weniger Caribean Dollar und dafür mehr duftenden Gewürzen in der Tasche ging die Busfahrt in weichen, wenn auch ausgesessenen Sitzen wieder zuckelnd zurück zum Hafen. Allein der Blick aus dem Fenster des Busses erlaubte einen Einblick in das karibische Dorfleben und jeder von uns entdeckte wahrscheinlich für ihn persönlich einprägsame Details.

Es sind die Sinneseindrücke, die das Gehirn sich am besten merken kann – ich bin sicher wir haben in diesen vollgepackten Stunden viele gesammelt und verbinden ab jetzt mit Regenwald nicht mehr Tarzan, sondern eine spannende Welt voll unbekanntem Leben.

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