Datum: Samstag, der 27.12.2014
Mittagsposition: 10°18,1′ N; 077°07,8′ W
Etmal: 138 sm
Wetter: Lufttemperatur: 29,5°C, Wassertemperatur: 28,5°C, Wind: ENE 3
Autor: Philip
Die Weihnachtszeit ist nun schon vorbei und der normale Bordalltag hat wieder begonnen. Auch über Weihnachten mussten wir ganz gewöhnlich Wache gehen und somit auch eine der Aufgaben in der Wache, das Rudergehen, übernehmen.
Fast jeden Tag hat jeder für mindestens eine halbe Stunde diese wichtigste Aufgabe an Bord zu erledigen. Die meisten haben große Freude daran, während manche es nicht sonderlich mögen. Dennoch ist jedem bewusst, wie viel Verantwortung auf einem lastet, wenn die komplette Besatzung einem zutraut, dass man das Schiff auf Kurs halten kann und sich nicht versteuert oder sogar eine Patenthalse fährt.
Eine Patenthalse ist eine nicht beabsichtigte Halse. Bei einer Halse gehen die Segel auf die andere Seite des Schiffes, die aber gesichert sind, sodass sie nicht herüber schwingen können. Patenthalsen kamen nur zu Beginn der Reise vor, als wir noch nicht an das Rudergehen gewöhnt waren. Da war es sehr schwierig den Kurs zu halten, wie man ganz am Anfang im Nord-Ostsee-Kanal sehen konnte, als auf dem AIS eine kleine Schlangenlinie zu sehen war. Weil wir alle noch sehr unsicher waren, standen immer unsere Wachführer oder Copis neben dem Steuer, um uns zu helfen.
Bei mir stand immer Hanna, meine Copi, rechts vom Kompass und hat mir alles erklärt. Ich war oft zu hektisch, da das Schiff eine Weile braucht, bis es reagiert, weshalb Hanna mir immer das Bild einer alten Oma verdeutlicht hat. Denn bei einer alten Oma ist es ähnlich. Die bewegt sich auch nicht sofort, sondern ist gemächlich und braucht ihre Zeit, bis sie den Stock in die Hand genommen hat und losgeht.Besonders wird das Steuern durch die Maschine beeinflusst. Denn durch die Schraube wird das Ruderblatt ständig durchströmt und die Thor lässt sich deutlich leichter bewegen. Es war keine große Herausforderung mit nur zwei Speichen zu steuern. Unter Segeln würde das gar nicht gehen. Man muss zum einen viel stärker Gegenruder geben und zum anderen muss man viel mehr drehen, um seinen Kurs zu korrigieren. Mittlerweile sind wir alle sehr gut und die besten können auf eine Genauigkeit von 5° den Kurs halten.
Beim Rudergehen steht man fast breitbeinig da, die Hände umfassen schulterbreit die Speichen und man schaut sicherheitshalber häufig auf den Kompass. Ich persönlich schätze das Gefühl vom Rad selbst sehr. Die Mitte des Ruderrades ist am weichsten bzw. am glattesten, zu den Seiten wird es rauer. Die Speichen passen gut in die Hand und man sieht genau, wo sie jeder anfasst, da diese Stellen am meisten abgenutzt sind. An diesen Stellen ist der Lack schon abgenutzt und man sieht die wahre Farbe des Holzes.
Vor dem Säulenkompass, an dem ein Krängungsmesser angebracht ist, ist die Ruderlagenanzeige. Der Zeiger und die Säule bestehen aus reinem Messing, das häufig schön glänzt, denn es wird ja nicht um sonst jeden Tag geputzt. Mir macht es am meisten Spaß am Ruder zu stehen, wenn es ordentlich hin und her schwangt. Wenn große Wellen auf das Hauptdeck brechen und die Luftblase vom Krängungsmesser von 10° backbord nach 10° steuerbord geht, freue ich mich, wie viele andere auch, am meisten darauf. Weshalb genau, weiß ich nicht, aber ich denke, dass uns alle die noch größere Verantwortung reizt.
Am einfachsten bleibt man im Gleichgewicht, wenn man sich leicht auf das Ruderrad lehnt, um die Krängung auszugleichen. Für mich ist die einzige Ruhe neben dem ganzen Rauschen des Meeres der Kompass. Die Nadel bleibt ganz ruhig und bewegt sich je nach Welle um 5° in eine Richtung und geht dann wieder zurück. Gerade bei solchen Bedingungen konzentriere ich mich genau auf die Nadel, damit ich nicht vom Kurs abkomme. Ich vergesse oft dabei das Geschehen um mich herum und bewege mich mit dem Schiff in beide Richtungen, als gäbe es nichts anderes.
Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich Rudergehen darf, als wäre es das erste Mal und merke, dass man immer noch etwas lernen kann und genauer steuern kann.