Die Sonne geht auf

stefanieDatum: Montag, der 02.03.2015
Etmal: 103 sm
Wetter: Lufttemperatur: 24°C, Wassertemperatur: 2°C, Wind: SW 4
Autor: Stefanie

„Astronomisch Navigieren ohne Sonne ist wie ein HotDog ohne Wurst“ ein Zitat von Bene, welches in den letzten sehr bewölkten Tagen ohne jegliche Sonnenstrahlen oft zu hören war. Das GPS ist abgedeckt, ein DIN-A3-Papier mit einem Thor-Heyerdahl-Stempel hängt davor und versperrt uns den Blick auf die Position, genauso wie die Wolken. Unsere genaueste Position ist anhand der Sterne und der Sonne zu bestimmen. Was jedoch unmöglich erschien. Die Wolken hingen tief über den ganzen Himmel verteilt, der Horizont war kaum zu erkennen und das Wetterbuch zeigte seit mehr als zwei Seiten dasselbe hoffnungslose Zeichen: „8/8 Bewölkung“. Die Seekarten zeigen uns möglichst genaue Koppelorte, welche von Logge und Kurs abhängig ist, was eigentlich auf reiner Spekulation beruht. Okay: Die Logge ist unsere Geschwindigkeit durchs Wasser, während die elektronische Seekarte die Geschwindigkeit über Grund genauestens angeben würde. Aber ohne Seekarte müssen wir uns auf eine Orangenschale berufen; wie schnell bewegen wir uns an ihr vorbei. Weg durch Zeit ist hier die Formel. Aber alle fremdeinwirkende Faktoren müssen geschätzt werden. Im Grund genommen fahren wir mit hochwissenschaftlichen Gedanken irgendwo im Nordatlantik herum und hoffen auf die Sonne, die uns unsere Position verrät.

In meiner Nachtwache schöpfte ich aber Hoffnung. Als ich aus der Navi nach oben auf das Achterdeck komme, nachdem ich gerade unseren 4-Uhr-Koppelort eingezeichnet und unseren Kurs berechnet habe, erblicke ich einen Sternenhimmel. Einen Sternenhimmel, der auf dem Atlantik normal war, den ich jetzt auf einmal mehr feiere als je zuvor. Keine Wolke, tausend Sterne und mir schwebt schon eine Position vor. Doch bis es soweit ist, der Horizont schon genau zu erkennen und die Sterne noch zu sehen sind, ziehen wieder die Wolken auf und versperren mir die Sicht auf den Sternenhimmel, der gerade noch so hoffnungsvoll aussah. Etwas enttäuscht, aber schon von den letzten Tagen abgehärtet, ging ich dann um 6.00 Uhr schlafen.

„Guten Morgen Steffi, strahlender Sonnenschein; ich habe die Sonne schon zweimal geschossen, zum Frühstück gibt es Frischkornbrei und wir können uns gleich in der Bibliothek treffen, um unsere Position auszurechnen.“ Besser hätte ich nicht geweckt werden können. In dem Moment hätte ich vor Erleichterung alle umarmen können. Ich habe mich noch nie so auf das Rechnen und die Mathematik gefreut wie jetzt gerade. Der ganzen Gruppe war anzumerken, wie glücklich wir alle über die Sonne waren. An Deck wurde im T-Shirt herumgelaufen und das Leben fand wieder mehr an der frischen Luft statt. Nur in der Bibliothek herrschte schlechte Luft, wie immer, wenn sich mehr als eine Person länger als eine Viertelstunde dort befindet. Getoppt wird das nur noch, wenn auch noch gerechnet wird. Mit mehreren Sonnenstandlinien und der exakten Mittagsbreite konnten wir unseren 12.00-Uhr-Ort ermitteln. Diese errechnete Position verglichen wir dann gleich mit unserem gekoppelten Ort. Als wir feststellten, dass sich diese nur um 17 Seemeilen von der astronomischen unterschied, waren wir dann sehr glücklich. Zunächst waren wir verwundert, wie schlecht wir gekoppelt haben, bis uns unser normaler Steuermann wieder auf den Boden brachte und uns bewusst machte, dass wir zwei Tage lang ohne GPS und astronomische Navigation auf dem Nordatlantik herumgetuckert waren und doch nur 17 Seemeilen von dem “geschätzten“ Ort entfernt waren. So erfolgreiche Navigationstage wie diesen wünscht sich jeder Seemann mit und ohne Zugriff auf GPS. Hoffentlich bleibt das so, denn in zwei Tagen “lassen wir die Hosen runter“ und vergleichen die errechnete Position mit der von der elektronischen Seekarte, die dann wieder aufgedeckt wird. Wir setzen auf das Wetter, denn wir wünschen uns eindeutig ein besseres Endergebnis als 17 Seemeilen Besteckversetzung.

P.S.: Lieber Martin, ich sende dir sonnige Glückwünsche vom Nordatlantik zu deinem 13. Geburtstag. Genieße den Tag, deine Steffi

Lieber Hannes, ich wünsche dir alles alles Gute zum Geburtstag. Feier schön, du Teenager, deine Lena

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