Datum: Samstag, der 14.03.2015
Mittagsposition: 33° 50,8′ N; 054° 46,4′ W
Etmal: 122,5 sm
Wetter: Lufttemperatur: 18°C, Wassertemperatur: 18,5°C, Wind: NzNE 6-7
Autorin: Charlotte
Liebe Leser, wir müssen Ihnen hiermit leider mitteilen, dass fast die gesamten Schülerbesatzung des Dreimasttoppsegelschoners Thor Heyerdahl an Fieber erkrankt ist. Unser Bordarzt hat bereits erste Vermutungen, wovon das Fieber kommen könnte, und ist der Meinung, dass es sich um einen sehr starken Virus handelt, den wir schon seit längerer Zeit an Bord haben. Das Fieber, mit dem alle infiziert sind, ist das sogenannte „Mützenhäkelfieber“, das fast jährlich auf den KUS-Reisen auftritt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich auf Grund von Wollmangel die Reiseroute noch ändert und wir sogar umkehren werden, um auf den Bermudas erneut Wolle kaufen zu können.
Alle diejenigen, die die vergangenen KUS-Reisen verfolgt haben, haben wahrscheinlich nur darauf gewartet, dass auch bei der diesjährigen Reise das Mützenhäkelfieber ausbricht und jetzt ist sie da, die Nachricht, dass auch wir infiziert sind!
Begonnen hat die ganze Krankheit schon vor langer Zeit. Unsere Lehrerin Anja als auch die Schülerin Marie häkeln schon seit Kiel eine Mütze nach der anderen und stellen damit die ersten Infizierten dar. Mit der Zeit zeigten sich immer mehr Kranke und seit dem Aufenthalt auf den Bermudas musste festgestellt werden, dass nun alle Schüler erkrankt sind. Sobald wir auf der kleinen Insel im Nordatlantik ankamen, hielten sofort alle Ausschau nach einem Woll-Laden und tatsächlich gab es einen kleinen Laden, der alles hatte, was das KUSi-Herz begehrt. Von dicker und dünner Wolle bis hin zu unterschiedlichen Nadeln war alles dabei und jede erdenkliche Farbe konnte gefunden werden. Da die Bermudas der letzte Landaufenthalt waren, wo wir unser Dollar-Taschengeld ausgeben konnten, gaben die meisten ihr letztes Geld für ganz viel (oder eben auch wenig) Wolle aus.
Nun, fast eine Woche nach Auslaufen, hört man unter Deck nur noch Sätze wie beispielsweise „Hast du noch eine 7er-Nadel?“ oder „Wer tauscht grau gegen grün?“.
Wer nicht viel Ahnung vom Häkeln hat, bekommt an dieser Stelle noch eine kleine Einführung, sodass alles, was ich hier schreibe, auch verstanden werden kann:
Zum Häkeln benötigt man Wolle, eine Nadel, die die geeignete Dicke hat, und ein geschicktes Händchen. Zu Beginn, also in den ersten Runden der Mütze, muss man wenige Maschen häkeln und in den kommenden Runden werden es immer mehr. Jedoch ist zu beachten, dass man gleichmäßig an Maschen zunimmt, sodass die Mütze eine gleichmäßige Form annimmt. Im ersten Stadium des Fiebers beanspruchen die ersten Reihen sehr viel Konzentration. Wenn man schließlich genug zugenommen hat, ist der schwierigste Teil geschafft und es kann eigentlich nichts mehr schief gehen. „Eigentlich“ bedeutet in diesem Fall aber, dass es auch des Öfteren dazu kommen kann, dass einige Runden wieder aufgetrennt werden müssen und der Patient (der/die Häkler/in) Symptome wie zum Beispiel starke Stimmungsschwankungen, verbunden mit Aggressionen, vorweist.
Manchmal werden Runden auch einfach aus Spaß wieder aufgetrennt, sodass man mehr von seiner Wolle hat. Vielleicht ist das etwas unverständlich, aber man muss bedenken, dass wir nicht gleich in den nächsten Woll-Laden rennen können, um neue zu kaufen. Das führt dazu, dass Wolle ein sehr angesehenes Gut ist und jeder Zentimeter geschickt genutzt wird. Aber zurück zu der kurzen Anleitung: Wenn die Mütze schließlich fertig ist, man zufrieden mit den Streifen oder Ähnlichem ist, fehlt noch ein wichtiges Bestandteil – der Bommel. Auch hier stellt sich die Frage, wie groß der Bommel sein soll und welche Farbe man möchte.
Zum Schluss muss man noch die überstehenden Wollenden vernähen und dann wird die Mütze sofort getestet. Überlebt sie die 8 Windstärken und hält sie die Ohren auch schön warm?
Inzwischen sind schon viele verschiedene Variationen entstanden. Ein paar haben sich richtige Hüte gehäkelt, andere bleiben bei den klassischen Mützen und wieder andere machen Stirnbänder. Jede freie Minute wird zum Häkeln genutzt und am Abend wird in der Messe fast nur noch gehäkelt. So kann es schnell mal passieren, dass von einer Sicherheitsronde bis zur nächsten eine neue Mütze entstanden ist. In diesem Moment des Tagebuchschreibens bin ich auch die einzige am Tisch in der Messe, die etwas anderes außer Häkeln macht.
Ich hoffe ich konnte einen kleinen Einblick in die Häkelfieberwelt verschaffen und bin gespannt, ob wir nun auf Bildern noch erkannt werden, wenn wir plötzlich neue Mützen tragen. Bevor ich nachher Wache habe, mache ich jetzt noch meinen Bommel fertig und hoffe, meine neue Mütze hält meinen Kopf auf dem Nordatlantik schön warm.