Die wichtigsten 1,4 Quadratmeter an Bord

paulaDatum: Montag, der 23.03.2015
Mittagsposition: 38° 21,6′ N; 030° 21,8′ W
Etmal: 119,1 sm
Wetter: Lufttemperatur: 17° C, Wassertemperatur: 16°C, Wind: ENE 2
Autorin: Paula

04:50 Uhr, irgendwo zwischen den Bermudas und Azoren auf dem Nordatlantik. Ich stehe eingepackt in Ölzeug und Mütze im Steuerbordausguck. Nach und nach kommen immer mehr verschlafene Gestalten den Niedergang aufs Achterdeck hoch. Endlich! Sobald die nächste Wache, Wache 3, komplett ist, findet nämlich die Wachübergabe statt. Noch 10 Minuten. Wache ist zwar gut und schön, macht auch meistens Spaß, aber so mitten in der Nacht sehnt man sich dann doch zurück ins Bett. Nachdem wir eine „Goude Wacht!“ gewünscht haben, nehmen wir den umgekehrten Weg am nun neuen Ausguck vorbei, den Niedergang erst aufs Hauptdeck hinab und dann den Messeniedergang herunter, den Gang entlang zu meinem Haken. Ölzeug ausziehen und aufhängen, Gummistiefel aus und (wichtig!) nicht wie diejenige vor mir einfach mitten in die Kammer schmeißen. Nachdem ich mich noch aus verschiedenen Fleece- und Pullischichten geschält habe, bin ich am Ziel angelangt: Ich darf endlich wieder in meine warme, gemütliche, über alles geliebte Koje, die ich auch die nächsten Stunden nicht mehr verlassen werde.
Wie man sieht, kommt unserer Koje, also unserem Bett, mit 1,4 m² Fläche (2 m Länge x 0,7 m Breite) eine durchaus große Bedeutung im Alltag zu. Nun ist Zeit, einmal darüber zu schreiben.
Zuerst einige Sätze über die Wahl der Koje. Am Anfang jeder Etappe ziehen wir in eine andere Kammer. Also muss man sich immer wieder aufs Neue entscheiden, wo man schlafen will. Es gibt jeweils eine Koje unten und eine darüber. Beides hat, wie man sich denken kann, ganz abgesehen von persönlichen Vorlieben, seine Vor- und Nachteile. Unter der unteren Koje befindet sich jeweils die Unterkoje. In der einen Hälfte dürfen wir unser Gepäck, welches nicht mehr in die Fächer passt, oder welches wir nicht brauchen, verstauen. Das heißt also, immer wenn irgendjemand etwas braucht, muss die Matratze hoch. In zwei Situationen ist das besonders blöd. Zum einen, wenn man bei Großreinschiff gerade seine Koje gebaut hat, also alles so geglättet und gefaltet hat, sodass keine Falten mehr sichtbar sind. Dann kommt garantiert jemand, der noch schnell etwas in die Unterkoje packen möchte oder noch unbedingt schnell die Landgangsschuhe herausholen muss. Grhhh! Das große Los aber haben die gezogen, in deren Unterkoje die Milch oder der OSaft gestaut ist, beides unverzichtbare Frühstücksutensilien. Eigentlich werden diese Sachen immer schon am Abend rausgestellt, aber das wird auch ab und zu vergessen. Morgens um 06:30 Uhr kommt dann immer ein zerknirschter Backschafter, um denjenigen der Milch wegen aus dem Land der Träume zu holen…
Also doch lieber oben schlafen? Da kann man sich allerdings nicht so schön hinsetzen wie unten und kommt sich immer ein bisschen doof vor, wenn man dann der Person unterhalb die Füße vor dem Gesicht baumeln lässt. Außerdem ist es echt nervig, wenn man mitten in der Nacht herunterklettern muss, um die auf den Boden gefallene Decke wieder hochzuholen. Und aus dem Bett fallen ist natürlich auch etwas unangenehmer aus dieser Höhe…
Neben oben und unten gibt es auch noch die Wahl zwischen „längs“ (in Fahrtrichtung) und „quer“. Für die Langen unter uns, z. B. Tobi oder Paul, ist die Wahl hier klar: In den Querkojen ist nochmal einige Zentimeter weniger Platz als in den zwei Meter langen Längskojen. Sonst kann man sich hier die Schaukelart aussuchen: entweder von links nach rechts rollen (Längskoje) oder mit dem Körper abwechselnd erst am Kopfende und dann am Fußende anstoßen (Querkoje). Da fällt die Wahl schwer!
Das waren jetzt die harten Fakten. Aber was bedeutet unsere Koje eigentlich für uns? Ziemlich viel. Sie ist neben unseren Fächern das einzige bisschen Privatsphäre, das wir haben – der Platz, den wir nur für uns haben und mit niemandem teilen müssen. Der Ort, wo es immer warm und gemütlich ist, auch wenn es draußen kalt und ekelig ist. Der Raum, wo man die wenigen Stunden Schlaf genießen kann. Hier kann man sich zurückziehen, wenn einem der Trubel doch mal zu viel wird. An dieser Stelle schreibt man Tagebuch, liest oder lernt für den Chemietest. Und zu guter Letzt ist es auch der einzige Ort, außer der Kombüse, wo man Musik hören darf.
Entsprechend richten sich die meisten auch in ihrem Domizil ein. Da unsere Wände praktischerweise magnetisch sind, kann die ganz Wand mit Fotos dekoriert werden, wahlweise auch mit Französischvokabellisten. Ein weiterer Vorteil der oberen Kojen: Hier kann auch die Decke in dieser Hinsicht genutzt werden. Und in 95% der Kojen ist der Einrichtungsgegenstand Nr. 1 das Hängeregal. Die Palette reicht von liebevoll handgenähten Regalen bis hin zum Modell von Ikea (die Hälfte aller Schüler haben diese, es gibt sie in blau und rot). Meiner Meinung nach ist es wirklich unverzichtbar für mp3-Player, Briefe, Andenken an zu Hause, Erinnerungen von vergangenen Reisezielen, Stirnlampen, Taschentücher, Hustenbonbons, Tagebücher, Stifte und und und. Wer seines allerdings zu voll lädt, der hat mit Überlastung der Magnete und einem rutschenden Hängeregal zu kämpfen.
Puh, irgendwie ist es schon so spät, ich bin müde und freue mich schon sooo auf……meine Koje!

Davor aber noch ganz liebe Grüße an meinen Vater: Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag und einen wunderschönen Tag, ich denk an dich!

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