Ostern in Ölzeug

johannesDatum: Sonntag, der 05.04.2015
Mittagsposition: 42° 26,3′ N; 020° 24,7′ W
Etmal: 143 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13,5° C, Wassertemperatur: 13,5°C, Wind: N 2
Autor: Johannes

Ostern. Wie wird eigentlich Ostern auf einem Schiff mitten auf dem Atlantik gefeiert?
Eine Frage, die gar nicht so unberechtigt ist und die wir uns auch schon des Öfteren während und vor der Reise gestellt haben.
„Ein Gottesdienst in der Früh wird wohl schwierig werden. Eine Messe haben sie ja, aber an dem Pfarrer wird es wohl scheitern. Vielleicht sorgt ja Detlef für den geistlichen Beistand, als lang erfahrener Kapitän auf hoher See. Das selbst gebackene Brot könnte als Hostie vielleicht zweckentfremdet werden und dann kommt noch die Frage auf, was den Wein eventuell ersetzen könnte. Wäre es sogar möglich, dass…“, so etwas könnte man sich zu Hause möglicherweise denken.
Nein, so wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich das auch klingt, war es aber nicht.

Wir konnten einen Gottesdienst, so wie man es von zu Hause kennt, leider nicht feiern. Doch dafür hielten wir um 10 Uhr eine kleine Andacht. Die ganze Besatzung versammelte sich an diesem schönen sonnigen Ostersonntag in voller Ölzeugmonitur am Achterdeck, da es wegen den Nordwinden doch recht kalt war. So saßen 50 in rot-weiß-gelbe Öljacken gepackte Segler rund um das Ruder und genossen die Stille, die sich um das Schiff legte, als der Motor ausgeschaltet wurde. Es wurde die Ostergeschichte aus dem Johannesevangelium gelesen und man durfte zwischen den Versen schönen Gesängen und ruhigen Klavierstücken lauschen. Wir saßen beisammen, genossen es, einmal in uns zu gehen, über verschiedene Sachen nachzudenken und freuten uns ganz einfach an diesem schönen Ostersonntagmorgen auf dem Achterdeck.

„Und der Osterhase?“, höre ich jetzt viele Kinder fragen, „der kommt doch nicht auf das Schiff, oder? Wie soll denn der da rauf kommen? Der Osterhase mitten auf dem Meer, nein!“
Wir haben uns auch gedacht, dass es der nette Hase mit den leckeren Süßigkeiten und den schön bemalten Ostereiern leider nicht zu uns schafft. Woher soll er auch wissen, wo wir genau sind? Doch ob man es glaubt oder nicht, der Osterhase und seine Gehilfen waren auch auf der Thor Heyerdahl. Denn nach der Andacht waren plötzlich überall im Unterschiff Osternester in allen erdenklichen Ecken versteckt. Für jeden war eines dabei. 50 Nester mit einem bemalten oder gefärbten Osterei, kleinen Schoko-Osterhasen und ein paar Gummibärchen. Das gesamte Unterschiff wurde auf den Kopf gestellt. Im Trockner, in der Last, in einer Schublade unter der Werkbank oder auch in der Bilge in der Messe, überall waren die Nester versteckt.
Ostern war für uns somit gerettet!

„Naja, ok, eine Art Gottesdienst wurde gefeiert, der Osterhase ist sogar auch extra gekommen… jetzt fehlt nur noch der Osterbraten/-gans!“ Und den gab es selbstverständlich auch bei uns. Halbes Hähnchen an Honigsenf-Soße bespickt mit Rosmarin und hundertprozentigem und gut gewürzten Kartoffelbrei, verfeinert mit einem Hauch von grenadinischer Muskatnuss.
Dieses Gourmetessen kann doch auf jeden Fall mit dem Ostersonntagsessen zu Hause mithalten, oder nicht? Die Krönung war dann noch die Coca-Cola, die es zum Essen dazu gab, etwas ganz besonderes an Bord, da es nur sehr selten dieses koffeinhaltige Getränk gibt.

Und das war noch nicht alles! Bevor jetzt noch die Frage „Und der Osterstollen?“ kommt – ja, es gab natürlich einen Osterstollen, gestern noch frisch und liebevoll gebacken. An den von den Omas kommt er wahrscheinlich nicht ganz ran, aber er war ziemlich lecker. Wer mochte, konnte sein Stück noch individuell mit Nutella, Marmelade, Honig oder ganz klassisch mit Butter versüßen bzw. verfeinern.
Kein wirklicher Gottesdienst, aber eine einzigartige und wunderschöne Andacht. Kein Osternestersuchen im Garten, aber immerhin überall im Unterschiff, was wohl genauso schwierig zum Suchen und ebenso schön zum Finden war. Nicht direkt eine gebratene Ostergans, dafür aber ein leckeres, halbes Hähnchen mit Liebe von der Backschaft gekocht. Kein echter Osterstollen von der Oma, aber dafür nach ihrem Rezept gebacken.

Ostern findet auf hoher See also doch fast genauso statt wie zu Hause in Deutschland.
Und jetzt mal eine Frage an euch daheim: „Habt ihr eigentlich schon mal den Osterwal gesehen? Nein? Wir haben ihn sehen können! Und eines kann ich euch ja noch verraten:
Er ist viel größer und schwerer als der Osterhase. Und wer weiß, wenn ihr das nächste Mal an der Küste, am Strand oder auch mitten auf dem Ozean seid und ganz genau Ausschau nach einem großen weißen Blas haltet, vielleicht erhascht ihr ja dann auch einen Blick auf den Osterwal!“ Frohe Ostern euch allen zu Hause!

P.S.: Alles Gute zum Geburtstag und viele Ostergrüße aus dem Nordatlantik, Papa! – Johannes

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