Datum: Montag, der 06.04.2015
Mittagsposition: 42° 55,9′ N; 019° 03,3′ W
Etmal: 72,8 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13,4° C, Wassertemperatur: 13,6°C, Wind: NezN 6-7
Autorin: Teresa
Mein Blick schweift über den Horizont. Die Wellen sind um die 5 Meter hoch, sie türmen sich auf und rauschen mit voller Kraft dahin. Ich liebe es, ihnen zu zuschauen, und gerade jetzt, wenn der Wind fegt, weht er die Wellenspitzen davon, was wunderschön aussieht. Meine Augen bleiben ganz vorne am Schiff hängen; dort liegt das PK, in dem die Stammbesatzung schläft. Ich entdecke Alex, der gerade verzweifelt versucht, trockenen Fußes in die Messe zu gelangen. Da das Deckshaus wegen des Verschlusszustandes geschlossen ist, bleibt ihm nur der Weg über das von Wellen überspülte Hauptdeck. Nicht selten bahnt sich ein Brecher den Weg über das Schanzkleid und die Wahrscheinlichkeit, nicht nass zu werden, geht gegen null. So begegnet man recht oft auf der allstündlichen Sicherheitsrunde einem Gummistiefel- beziehungsweise Klamottenmassaker im Generatorenraum. Die Stiefel und Kleidung befinden sich dort in der Hoffnung, trocken zu werden. Aber nicht nur an die Wellen an Deck haben wir uns gewöhnt, sondern besonders die Folgen des Seegangs unter Deck wurden für uns zur Gewohnheit und wir haben die ein oder andere Methode entwickelt, damit klar zu kommen.
Zunächst einmal die wichtigsten drei Tipps für den geeigneten Umgang mit Seegang:
1. Immer auf alles gefasst sein, es kann schnell passieren, dass die nächste Tür zuknallt, ein Becher umkippt oder man mit einer Welle beim Zähneputzen quer durch die Dusche fliegt.
2. Immer mit dem Seegang arbeiten, denn er kann einem auch einiges, wie beispielsweise das Durchholen eines Tampens, erleichtern.
3. Alles, was schief läuft, mit Humor nehmen und sich nicht allzu sehr darüber aufregen.
Wenn der Seegang aufgrund von einer hohen Dünung (optimalerweise auch noch von gegenan) stark zugenommen hat, ist es an der Zeit, Strecktaue und Sicherheitsleinen an Deck zu spannen, um bei der nächsten Welle Halt zu finden. Sobald die Krängungsanzeige zwischen 30 Grad backbord und steuerbord hin- und herschießt, bedeutet das Gurtpflicht für uns Schüler. Man hakt sich an allen möglichen Stellen ein, um nicht übers Deck zu fliegen. Das Anziehen dauert nun auch etwas länger und es bedarf etwas Übungskunst, im Stehen seine Hosen anzuziehen, und wenn dann noch der Gurt dazukommt, muss man sich sehr beeilen, um fertig angezogen und pünktlich auf dem Achterdeck zu stehen.
Besonders bei diesem Zustand hat es die Backschaft nicht immer ganz leicht, denn auch in der Kombüse fliegt alles umher und nichts bleibt dort, wo man es vor zwei Sekunden abgestellt hatte. So ist der Gebrauch von Expandern in dieser Zeit enorm und alles wird festgebunden. Vor ein paar Wochen haben wir uns sogar beim Abspülen angebunden, da der Boden sehr rutschig war und wir so nicht eine Hand extra zum Festhalten brauchten. Bei den Mahlzeiten werden die Becher je nach Seegang nur noch halb beziehungsweise dreiviertel gefüllt und dennoch kommt es manchmal dazu, dass einem die Salatsoße einfach vom Teller läuft. Der ein oder andere hat es auch schon geschafft, nachts aus seiner Koje zu fallen und ich glaube jeder hat seine eigene Technik gefunden, sich in der ohnehin schmalen Koje einzuklemmen und für jeden Seegang gewappnet zu sein.
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass der Seegang ein allgegenwärtiges Thema bei uns ist und wir uns ziemlich gut darauf eingestellt haben. Aber besonders im Ausguck genieße ich ihn, zum Beispiel wenn sich die Gischt auf dem Hauptdeck wie ein Whirlpool kräuselt und wenn man auf den Backskisten sitzt, könnte man auch sagen, es ist wie eine endlos lange Achterbahn auf dem Nordatlantik.