Über Weihnachtslieder im Ausguck, Duschen und Unterricht

schueler.rajaDatum: Sonntag, der 22.11.2015
Mittagsposition: 25° 37,2′ N; 018° 16,5′ W
Etmal: 117 sm
Wetter: Lufttemperatur: 23° C, Wassertemperatur: 23°C, Wind: NE 5
Autorin: Raja

Langsam geht das Leben auf der Thor wieder richtig weiter. Nicht, dass es davor unterbrochen war, trotzdem ist es etwas anderes, wieder auf See zu sein. Man sieht Meer. Wunderschönes blaues Meer mit weißen Schaumkronen, wenn genug Wind da ist. Und es ist genug Wind. Jeder kann ihn spüren, besonders stark fällt der Wind beim Duschen auf. Nach drei Tagen kramt man wieder seine Duschsachen aus der hintersten Ecke des Faches, geht den Niedergang hoch, in die Dusche und schließt im Idealfall hinter sich die Tür zu. Dann geht es meist schon los: es schaukelt. Der Boden ist rutschig und alle versuchen irgendwie ihre Sachen so aufzuhängen, dass sie nicht vorher ins Nasse fallen und auch nach dem Duschen noch trocken sind, was schon ein Kunststück ist. Jetzt kommt noch erschwerend die Schiffsbewegung hinzu und eigentlich wären noch ein paar Hände mehr nötig, um sich auch festhalten zu können. Jeder ist glücklich, wenn das alles mehr oder weniger erfolgreich geschafft ist, aber jetzt kommt das zweite Hindernis: Nachdem die Haare nass gemacht wurden, steht da das Shampoo und wartet auf die Benutzung. Also Haare einschäumen, mit einer Hand und mit der anderen bloß nicht die Stange zum Festhalten loslassen. Geschafft? Dann ist der schwerste Teil gemeistert. Jetzt muss sich der Duschende nur noch festklammern und dem Duschstrahl hinterherlaufen, denn dieser hat die unangenehme Eigenschaft, mit zu schwanken und so geht der Wasserstrahl, genau wie die Thor, hin und her. Da unser Wasser begrenzt ist, duscht man nicht lange und zieht seine meist doch etwas nass gewordenen Sachen an, um mit einem sauberen Gefühl das Bad zu verlassen.
Doch besteht der Tag nicht nur aus Duschen. Heute war ja wieder ein Sonntag und das heißt abgesehen von leckerem Frühstück mit einem Brötchen und Ei auch wieder frisches Brot. Jeden Sonntag gibt es eine Brotbackschaft, die für einen wunderbaren Duft im ganzen Schiff sorgt. Singend werden in der Messe Zutaten gemischt, geknetet, in Formen gefüllt und dann in den Ofen geschoben, so dass nach 80 Minuten Wartezeit wieder frische Brote in Kisten gefüllt werden können.
Generell wird hier an Bord viel gesungen. Vor allem während der Nachtwache kann man mal mehr oder mal weniger angenehme Laute aus dem Ausguck vernehmen. Unpraktisch wird es nur, wenn man die Liedtexte nicht mehr auswendig kann oder einfach schon sein ganzes Repertoire an Liedern gesungen hat. Dann wird auf andere Lieder ausgewichen, wodurch ich auch schon „Stups, der kleine Osterhase“ oder gewisse Weihnachtslieder hören konnte. Doch da wir ja jetzt in neuen Wachen sind, gibt es ein paar Erneuerungen: Neue Zeiten zum Aufstehen, neue Wachführer und, am wichtigsten, neue KuSis mit neuen Gesängen. Aber wir sind ja nicht nur in neue Wachen eingeteilt, sondern auch in neue Kojen, was bis jetzt das Wecken etwas erschwert hat, denn woher soll man wissen, wo der Glückliche zu Weckende schläft? Meist erfährt man durch Fragen die Kammer, aber die Koje herauszufinden, das ist einem selbst überlassen. Also läuft man durch die Kammer und kontrolliert die Kojen. Ist das wirklich Marlena? Wenn man die Person gefunden hat, dann kommt der zweite interessante und oftmals auch lustige Teil: die Weckfrage. Wie viele Finger haben 10 Hände? Was ist die Hauptstadt von England? So wird der Arme, häufig noch nicht zu großen Denkleistungen Fähige geweckt. Doch, weil ja jetzt der Unterricht beginnt, wird das Wecken auch wieder etwas anders ablaufen.
Ja, morgen geht es wieder los mit dem Unterricht. Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, je nachdem, wie lange wir schon Chemie und Physik haben, in A und in B. An einem Tag hat Gruppe A Unterricht und Gruppe B Wache und dann wird getauscht. So hat man immer abwechselnd Nachtwache und Unterricht. Außerdem kommen auch die Praktika dazu. Vor ein paar Tagen haben wir unsere Einteilungswünsche hierfür in eine Liste eingetragen, entscheiden konnte man sich zwischen einem Praktikum beim Proviantmeister, Maschinisten und Bootsmann beziehungsweise -frau. Wenn man ein Praktikum hat, dann ist man vom Wachbetrieb befreit und arbeitet dort, wo man eingeteilt wurde. Viel mehr wissen wir auch noch nicht und deswegen freuen sich alle auf den Moment, wenn sie in der Praktika-Liste ihren Namen finden.
Gruppe A leitet morgen das erste Mal für uns Klassenzimmer unter Segeln ein, mit einer Doppelstunde Physik…

PS: Meine liebe Greta, heute war dein Geburtstag und ich wünsche Dir alles erdenklich Gute. Ich habe dich ganz dolle lieb, bleibe wie Du bist und lies nicht zu schnell!

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