Datum: Dienstag, der 26.01.2016
Mittagsposition: 13° 10,5′ N; 080° 43,8′ W
Etmal: 119 sm
Wetter: Lufttemperatur: 28° C, Wassertemperatur: 27,5°C, Wind: E 5
Autorin: Emilia
Nacht. Das tief-dunkelblaue, fast schwarze Wasser umspielt den Bug des Schiffes. Die weiße Gischt spritzt am Rumpf hoch aufs Deck. Der Mond, welcher in der dunklen Nacht das einzige Licht spendet, taucht alles in einen silbrig-grauen Schein. Zwei Gestalten auf dem Achterdeck…
„Oh man, weißt du was, ich hätte gerade richtig Lust auf eine Tafel Schokolade. Ich habe solchen Hunger auf etwas Süßes.“ „Oooh ja, ich auch. Hör bloß auf…“ „Erinnerst du dich noch an die Zeiten, wo der Wachführer noch Schokolade oder Gummibärchen zur Fahrwache mitgebracht hat?“ „Nur zu gut, doch das ist schon lange vorbei. Wie albern es klingt, wenn wir sagen ‚Das waren noch Zeiten…“ „Da hast du schon Recht, aber so ist es doch. Sogar die ‚Halbzeit‘ ist mittlerweile schon vorbei.“ „Das ist doch echt verrückt. Du musst dir mal überlegen, was wir jetzt alles schon erlebt haben. Denk mal an Kiel zurück.“ „Unsere ersten Sicherheitsronden während der Hafenwachen in Kiel in der Werft, erinnerst du dich noch daran?“ „Haha, ja! Ich weiß noch, als ich bei meiner ersten Sicherheitsronde Wasser in den Bilgen in der Messe entdeckt habe, total Panik geschoben habe und sofort Alex wecken gegangen bin, der mir dann erklärt hat, dass das nur ‚Schwitzwasser‘ sei.“ „Wie routiniert wir mittlerweile sind. Ungelogen, ich könnte eine Sicherheitsronde schon im Schlaf gehen.“ „Und denk mal zurück an unseren ersten Landaufenthalt in Falmouth. Das war vor drei Monaten.“ „Damals haben wir uns doch alle noch so aufgeregt, dass wir am Sonntag losgeschickt wurden, wo erstens die meisten Geschäfte und zweitens alle Wechselstuben geschlossen waren.“ „Letztendlich hatten wir dann alle einen schönen Tag am Strand und konnten England auf uns wirken lassen, so wie es sein sollte.“ „Weißt du, dass ich erst jetzt so mit der Zeit verstehe, was mir und uns allen diese Reise bringt? …“ „Ach komm, jetzt werd‘ nicht so tiefgründig. Es ist mitten in der Nacht, da kannst du mich nicht mit so etwas konfrontieren.“ „Ist ja gut, aber jetzt mal ehrlich… Weißt du, was ich meine? Was wir alles erlebt haben sind nicht nur oberflächliche Eindrücke, wir können aus jedem Erlebnis, seien es noch so banale Situationen wie zum Beispiel das Sehen einer Rolltreppe etwas für uns mitnehmen.“ „Stopp mal… Wo lernst du denn etwas, wenn du eine Treppe rollen siehst?“ „Ok, vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt, aber ich meine dieser Kontrast von Regenwald und Megapolis Panama City war für mich schon ein einschneidendes Erlebnis. Also ich persönlich hatte mir vorher noch nie wirklich Gedanken über solche – für uns selbstverständliche Dinge – Gedanken gemacht.“ „…wie Rolltreppen also?! Alles klar. Also diese tiefgründigen Gedanken zu Rolltreppen kann ich so zwar nicht nachempfinden, aber ich glaube, ich weiß, was du meinst.“ „Es ist so schwierig, die Reise und die Gefühle dahinter in Worte zu fassen.“ „Findest du? Also: Kiel, Falmouth, Teneriffa, Palm Island, Tobago Cays, Grenada, Nalunega, Kuna Yala, Panama, dann kommt jetzt Kuba…“ „Aber das alleine beschreibt doch nicht unsere Reise. Es geht doch schon in Teneriffa weiter, als wir alle zusammen nicht bis auf den Gipfel des Teide hochwandern konnten und trotzdem so gefeiert haben, als hätten wir die Welt erobert.“ „Ja stimmt, das waren noch Zeiten.“ „Siehst du, jetzt hast du es doch gesagt.“ „Und es hört sich nicht komisch an. Es ist so wie es ist. Wir haben schon so viel erlebt.“ „Wie schnell die Zeit vergeht. …ich komme mir so alt vor, wenn ich das sage.“ „Aber das ist das, was die Reise mit uns macht. Jetzt weiß ich wirklich, was du meinst.“ „Meinst du, die Reise geht zu Hause weiter?“
„Sicher doch. Ich glaube, dieses Erlebnis wird uns weiter begleiten.“ „Ja… Trotzdem zu schade, wenn es vorbei ist.“ „Ach Mensch, lass uns das Ganze genießen und nicht so melancholisch sein.“
Wolken ziehen auf. Sie schieben sich vor den Mond. Das silbrige Schillern der Wasseroberfläche lässt langsam nach und die Nacht wird dunkel. Auch die zwei Gestalten kann man kaum noch sehen.