Feuer und Wasser

schueler-henry-kopieDatum: Dienstag, der 1.11.2016
Mittagsposition: 33° 03,4′ N 016° 19,8′ W; Porto Santo
Etmal: 128 sm
Wetter: Lufttemperatur: 22,5° C, Wassertemperatur: 22,5° C, Wind: NNW2
Autor: Henry

Der Tag begann ganz normal. Wie immer wurde ich mit Angaben zu Wetter und Uhrzeit geweckt. Wie immer zog ich mich noch im Halbdunkeln an. Wie immer ging ich danach zum gemeinsamen Frühstück mit meiner Wache 4. Schon seit einer Woche sind wir auf See, immer am selben Ort und doch immer in Bewegung. Sieben Tage ohne Land in Sicht.
Aber schon als ich durch das Schott zur Wache an Deck gehe, bemerke ich den Unterschied. Am Horizont zeichnet sich eine dunkelgraue, hügelige Silhouette gegen den nur geringfügig helleren Himmel ab. Direkt voraus liegt die Insel Porto Santo, deren Leuchttürme man schon von weitem sehen kann. Schon eine halbe Stunde später, als ich nach dem Segel bergen wieder nach vorne gucke, hat sich der Umriss in kleinere Stücke aufgeteilt. Hinten sieht man die halb im Nebel verborgenen Schemen der Hauptinsel, vorne die kleinen, schroffen, vorgelagerten Felsen. Wir kommen der Insel schnell näher, und schon nach einer Stunde kommen alle an Deck, um beim Ankern zu helfen.
Als wir dann endlich vor dem kleinen Städtchen der Insel liegen, spannen wir sogleich die Sonnensegel auf und die, auch übertriebenerweise „Leichenfänger“ (korrekt Sicherheitsnetze) genannten, seitlichen Netze ab. Die Schiffsglocke ertönt und wir versammeln uns in der Messe, um zwei zwar sehr alte, aber trotzdem richtig informative Filme über Notsignale und die Rettungsinseln an Bord anzuschauen. Anschließend gehen wir wieder an Deck, um uns die jeder Wache zugeordneten Rettungsinseln der Thor anzusehen.
Sicherheit wird an Bord groß geschrieben, doch zunächst gibt es das Mittagessen, das wir dank des ruhigen und sonnigen Wetters zum ersten Mal auch draußen genießen können.
Weil nicht nur die Sonne, sondern auch das Wasser schön warm ist, hängen wir gleich darauf die Badeleiter raus und gehen baden. Zum ersten Mal seit dem kalten Falmouth ins Wasser zu springen, ist wirklich besonders für uns. Auf der Thor haben wir das Sprungbrett gleich eingebaut und können direkt vom Schanzkleid oder Klüverbaum in den Atlantik springen. Im Wasser spritzen wir dann rum, Jojo nutzt die Gelegenheit unseren Maschinisten Jens zu „tunken“, und die meisten versuchen, möglichst ins Wasser zu tauchen, das so klar ist, dass wir auch den zehn Meter tiefen Grund noch gut sehen können.
Nach dieser erfrischenden Mittagspause geht es im Programm sofort weiter: Da wir für diesen Tag den Großteil der Sicherheitsübungen geplant haben, gehen wir wieder in die Messe, um uns den letzten der drei Filme, diesmal über Feuer an Bord, anzugucken. Obwohl der Film sehr anschaulich ist, erklärt nichts den Notfall so gut wie die Praxis. Deshalb versammeln wir uns danach auf dem Hauptdeck, wo die einzelnen Gruppen, wie Feuerlöschertrupp, Atemschutzgeräteträger und Schlauchtrupp, vorgestellt und eingeteilt werden. Jeder Sicherheitsbeauftragte erklärt dann „seine“ Geräte, zum Beispiel Sprührohre, Feuerlöscher oder die Krankentrage.
Nach einer kurzen Pause, in der auch alles vorbereitet wurde, fangen wir mit der Übung an. Alle gehen in ihre Kammern, um einen unerwarteten Brandfall zu simulieren. Plötzlich läuft Ruth rufend durch den Gang: „Feuer in der Bibliothek!“ Gleich darauf ertönt laut der Generalalarm, sieben mal kurz, einmal lang. Alle schnappen sich ihre Schwimmwesten und laufen aufs Hauptdeck, wo wir uns in der Wachordnung aufstellen, um fehlende Leute schnell zu bemerken. Uns fällt auf, dass Jojo noch fehlt. Währenddessen bereiten sich schon die Feuertrupps vor. Diejenigen, die keine besonderen Aufgaben haben (darunter auch ich), gehen aufs Achterdeck, um die Übung zu beobachten und nicht im Weg zu stehen. Elias und David vom Stamm gehen in Schutzausrüstung und mit Atemgeräten unter Deck, um das Feuer zu beobachten und die Vermisste zu suchen. Gleichzeitig bringt der Feuerlöschertrupp Feuerlöscher und der Schlauchtrupp einen Schlauch in die Messe. Oben an Deck wird über Funk der Kontakt mit dem Atemschutztrupp aufrecht erhalten und auf einer Tafel mitgeschrieben, was wann passiert ist. Als Jojo „bewusstlos“ in einer Koje gefunden wird, stehen sofort die Sanitäter Noah und Josef mit der Trage bereit, mit der sie aus dem Qualm geholt und über den Niedergang zur Messe hochgetragen wird. Kurz nachdem alle wieder oben in Sicherheit sind, kommen auch die beiden Atemschutzgeräteträger wieder hoch. Sie haben das „Feuer“ erfolgreich gelöscht.
Ein paar Minuten später stehen wir alle wieder auf dem Hauptdeck und besprechen die Übung. Obwohl alles gut gelaufen ist, haben viele natürlich jetzt noch Fragen oder Anmerkungen, die so direkt geklärt werden können. Nachher räumen wir alles auf und haben noch etwas Pause bis zum Abendessen. Die, die weder Backschaft noch Wache haben, können danach auch noch an Land, während ich es mir mit einem Tee gemütlich mache, diesen Eintrag schreibe und an den Tag zurückdenke.

P.S.: Etwas verspätet doch noch alles Gute zum Geburtstag, Jasper!!

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