Momente wie diese

Schülerin Janna Datum: 27.01.2016
Mittagsposition: 19°29,2’N 081° 050,5’W
Etmal: 89 sm
Wetter: Wassertemperatur: 28°C, Lufttemperatur: 30,5°C , Wind ENE 2
Autorin: Janna

Kein Tag ist wie der andere, das habe ich mir hier schon so oft gedacht. Auch heute ist wieder so ein Tag. Alles begann eigentlich ganz normal, wie ein Schultag eben, an dessen Ende bedrohlich der gefürchtete Biotest auf uns wartete.

Müde schleppte ich mich am Morgen zur Wache, denn ich hatte mich letztendlich doch nicht an meinen festen Vorsatz gehalten, nicht am generellen Lernwahn teilzunehmen.

Seit über drei Tagen nämlich kannte das allgemeine Bordgespräch kein anderes Thema als den Biotest. Überall hörte man irgendeine panische Nachfrage, ob dieses oder jenes drankommen könnte. Selbst wenn man sich schlafen legte, hörte man noch im Halbschlaf die Gespräche in der Messe über Osmoregulation (Regulation des inneren Salzgehalts, z.B. von Meeresfischen) und den Inhalt diverser Referate und Vorträge im Fach Biologie. Irgendwann, nach der zweiten Freiarbeit, in der ich mich wieder auf mein Referat über kubanische Musik vorbereitete, während alle anderen für den Test lernten, entschied ich mich, eine neue Lernmethode auszuprobieren. Irgendwann merkte ich, dass ich allein durch das passive Zuhören der Gespräche der anderen über den Test den wichtigsten Lernstoff bereits mitgelernt hatte. Mein fester Entschluss, nicht zu lernen, bröckelte allerdings spät am Abend vor dem Test, und so schaute ich doch noch einmal in meine Unterrichtsaufzeichnungen.

Die Wache verlief ganz normal, bis die ersten Schüler um kurz nach sieben zum Frühstück auf das Hauptdeck strömten. Ich stand gerade im Ausguck, als ich wieder das unvermeidliche Thema hörte. Doch anstatt genervt zu sein, hatte ich gelernt zuzuhören, und so schnappte ich vor dem Test noch die ein oder andere Sache auf, die ich am Abend zuvor nicht mehr gelernt hatte. Nach dem Mittagessen wurde es dann ernst. Um 13.15 Uhr sollte der Test beginnen, vorher versuchten viele noch in den letzten Minuten etwas zu lernen. Der Test selbst war dann leider, genau wie befürchtet, ziemlich anspruchsvoll. Nach 45 Minuten rauchten unsere Köpfe, und kaum jemand war fertig geworden. Ich war zwar auch nicht fertig geworden, aber im Gegensatz zu den anderen mit meiner Leistung eigentlich sehr zufrieden. Ich schaute gerade in der letzten Minute noch einmal meinen Test durch, als Christian, unser Bio-Lehrer, verkündete, dass an Deck ein Pelikan zu sehen sei.

Schnell gebe ich meinen Test ab und laufe den Niedergang nach oben, in der Erwartung, den Vogel irgendwo in weiter Ferne suchen zu müssen. Stattdessen sehe ich ihn in nicht einmal einem Meter Entfernung, auf Höhe meines Kopfes auf dem Deckel des Niedergangs sitzen. Schwarze Augen schauen mich interessiert, aber auch skeptisch an. Am langen Schnabel hängt ein großer Kehlkopfsack, der an einigen Stellen Löcher hat. An den Füßen befinden sich große Schwimmhäute, eine ist eingerissen. Noch nie habe ich ein solches Tier aus dieser Nähe gesehen. Er wirkt majestätisch, aber auch auf eine einzigartige, weise Art, alt. Sein Aussehen wirkt zerrissen, zeugt von einem Leben in Freiheit. Er muss so viel von der Welt gesehen haben. In diesem Moment möchte ich so sein wie er. Eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer befällt mich, doch gleichzeitig merke ich, dass ich das genau in diesem Moment habe. Und wie glücklich ich mich dafür schätzen kann.

Eigentlich sind wir genau wie dieser Pelikan, wir streben nach dem Gleichen, sehen die Welt aus einer anderen Perspektive als zu Hause. Und eigentlich sind wir doch gar nicht so verschieden. Wir, freie Wesen, mitten auf dem Meer, irgendwo zwischen Panama und Kuba, schauen uns noch einen Moment an, bis er irgendwann den Blick abwendet.

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