Eine Schulgruppe in Panama Ciudad aus Sicht eines Panameños

GeorgMichael

„Biep-biep- biep-biep- biep-biep“ Ach dieser verdammte Wecker! Warum so früh? Es ist 7:30 Uhr. Plötzlich fällt es mir ein: ich habe heute diesen wichtigen Geschäftstermin im Casco Viejo, dem alten Stadtkern meiner Heimatstadt Panama Ciudad. Um 8:00 Uhr setze ich mich an den Frühstückstisch und lasse mir von unserer Haushaltshilfe Rührei, dazu Toast, fast noch gefrorenen abgepackten Kokoskuchen und reichlich überzuckerten Saft bringen.

„Biep-biep- biep-biep- biep-biep“ Noch ein Wecker? Ich schaue auf mein Handy. Nein, ein Anruf von meiner Mutter, wie so häufig in diesen Tagen. Um 11:30 Uhr verabschieden wir uns, weil ich dringend zu meinem Termin muss. Hoffentlich ist in der Metro wenig los.

Ich verlasse mein Haus in El Carmen in Richtung Metrostation, vorbei am Hostel „Panama House B&B“. Aus dessen Ausgang ergießen sich mehrere Dutzend Jugendliche mit einem Erwachsenen auf die Straße. „Oh nein“, denke ich, „die wollen hoffentlich nicht alle zur Metro.“ Doch je weiter sie mir zur Metro folgen, desto schwerer fällt es mir, an mein Glück zu glauben.

In der Metrostation angekommen, fragen mich dann zwei äußerst kompetent wirkende Mitglieder der Gruppe, die die heutige Leitung übernommen zu haben scheinen, wie man die U-Bahnkarten auflädt. Dadurch und durch die Tatsache, dass ich aufgrund der Gruppengröße keinen Platz in der U-Bahn finde, verzögert sich meine Abfahrtszeit. Mit dem zweiten Zug fahre ich dann zum Platz „5 de Mayo“, von dem es nur ein paar Fußminuten nach Casco Viejo sind. Dort angekommen sehe ich die erste Hälfte der Gruppe wartend. Ich werde das Gefühl nicht los, dass das nicht meine letzte Begegnung mit ihnen war.

Plötzlich schreit einer „Cajo!“, was auf Deutsch scheinbar „durchzählen!“ heißt[1]. Oben angekommen sehe ich die zwei Schüler, die wie eine Reiseleitung agieren, nach dem Weg suchen. Während ich rechts den schnellsten Weg nach Panama Viejo laufe, biegt die Gruppe links ab. Zu meinem Erstaunen treffe ich sie einige Minuten später dennoch an der Plaza Santa Ana. Warum sind sie denn nicht den direkten Weg gelaufen? Naja, Touristen halt. Einer der beiden „Reiseführer“ der Gruppe scheint einen Vortrag über die dortige Kirche zu halten. Schließlich wende ich meinen Blick von der Gruppe ab und beginne meinen Weg zum Geschäftstreffen, nur um festzustellen, dass mich die Gruppe scheinbar verfolgt.

Inzwischen bin ich mir sicher, dass ich sie heute nicht mehr los werde.

An einigen stadtbekannten Sehenswürdigkeiten, wie z.B. der Casa de la Municipalidad oder der Plaza de la Independencia stoppen sie und scheinen kurze Infos zu erhalten. Plötzlich fällt mir auf, dass die beiden Jungen mich mit müden Augen ansehen. Vermutlich haben sie die ganze Nacht ihre Stadtführung geplant. Ich wundere mich über den Erwachsenen, der nur beobachtend dabei steht. Bei uns würde der Lehrer eine Schulexkursion leiten, aber in dieser merkwürdigen Schulklasse scheint das anders zu sein. Anschließend begleiten sie mich weiter, bis zu meinem Treffpunkt, einer bekannten Landzunge, in der Position, von der man einen atemberaubenden Blick auf die Skyline meiner Heimatstadt hat. Durchaus verständlich, dass sie diesen Ort als Höhepunkt ihrer Tour ausgewählt haben. Dies ist auch mein Lieblingsplatz und deswegen werde ich mich hier mit meinem Geschäftspartner treffen.

„Biep-biep- biep-biep- biep-biep“. Noch ein Anruf? Nein, eine SMS, von dem besagten Geschäftspartner. Er kann unseren heutigen Termin leider nicht wahrnehmen, da das Panama-Gremium meiner Firma tagt. Was soll ich nun tun? Schließlich beschließe ich, der Schülergruppe weiter zu folgen, um zu sehen, was sie sonst noch erleben. Nach kurzer Zeit, teilen sie sich allerdings in Kleingruppen auf, um die Stadt selbstständig zu erkunden. Sie bekommen 2,50$ pro Person von den Stadtführern, um sich Mittagessen zu kaufen. Mir fällt auf, dass die Gruppen aus fünf Personen bestehen und immer mindestens ein Junge dabei ist. Das finde ich sehr sinnvoll, ich würde meine Tochter auch nicht gerne alleine mit ihren Freundinnen herumlaufen lassen. Als sich die Gruppe auflöst, lasse ich sie in Ruhe. Schließlich möchte ich nicht den Eindruck erwecken, sie zu verfolgen.

Zuhause angekommen gibt es, wie gestern Abend mit meiner Haushaltshilfe abgesprochen, Hamburger mit Pommes und dazu Cola. Welch gelungener Abschluss dieses spannenden und multikulturell interessanten, jedoch für mich recht unwirtschaftlichen Tages. Ich denke noch einmal an die Jugendlichen und wie toll sie sich selbstständig organisiert haben. Sie werden ganz sicher noch eine wunderbare Zeit in meinem Heimatland Panama haben.

[1] Anmerkung der Redaktion: Cajo ist beim Durchzählen die Nummer eins, weswegen er immer anfangen muss.

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