Die Thor Heyerdahl – Ein Traditionssegler!

Philipp

Die Reise fliegt mit jeder Seemeile ihrem Ende zu. Die Azoren stehen vor der Tür und danach sind es noch ungefähr 25 Tage bis Kiel. Fünf Monate sind wir mittlerweile hier, auf See, auf unserem Schiff. Die Thor ist unser Zuhause, wir haben uns daran gewöhnt: an die schmalen Kojen, die uns nun riesig erscheinen, an den kurzen Flur mit dem Mast darin, daran, dass die Last am Ende dieses Flures ist und nur wenige Meter auf der anderen Seite die Messe. All das mag Außenstehenden klein erscheinen, wir haben uns daran gewöhnt und es kommt uns groß vor. Die Thor unser Zuhause. Dies ist ein Punkt, der auch im Vorfeld sehr oft Erwähnung fand. Die Ex-KuSis sagten immer, dass die Thor unser Zuhause werden würde. Stimmt ! Das ist sie auch!

Man darf aber nicht vergessen, was sie außerdem ist. Ein Traditionssegler. Auf Englisch: „Tall Ship“. Wenn man nachts von der Bewegung des Schiffes in den Schlaf geschaukelt wird und dabei den Großmast vor sich hinknacken hört, wenn man im Rigg ist und von der Bramrah auf das Schiff herab blickt, wenn man unser altes Ankerspill startet oder Segel setzt, spürt man das besonders stark.

Traditionssegler sind schon etwas Besonderes. Ein Traditionssegler unter Vollzeug ist noch deutlich majestätischer als eine Yacht. Yachten können vielleicht schneller sein, aber nie wird eine Yacht so eindrucksvoll sein wie ein Traditionssegler. Leider gibt es nicht mehr viele von ihnen. Die großen eindrucksvollen Teeklipper und Handelsschiffe, die auf reine Schnelligkeit ausgelegt waren, gehören der Geschichte an. Die eindrucksvollen Flying P-Liner, die auf Geschwindigkeiten von 16 kn kamen und von denen ein Bild in der Messe hängt, verschwinden auch langsam. Auf dieser Reise konnten wir aber noch ein paar Schwestern der Thor sehen. Ob unter Segeln oder im Hafen, sie alle waren majestätisch. Die ersten, denen wir begegneten, wurden bereits in einem Blogeintrag in Teneriffa erwähnt. Um einen besseren Zusammenhang zu erstellen, werde ich auch noch einmal auf diese eingehen.

In Teneriffa begegneten wir insgesamt vier anderen Traditionsseglern.

Einerseits war da die Regina Maris, das Schiff der allerersten KuS – Reise. Sie fuhr mit Ocean College eine sehr ähnliche Reiseroute wie wir, lief allerdings am nächsten Tag aus, sodass wir sie nicht besichtigen konnten. Kurz darauf liefen jedoch zwei andere Schiffe ein.

Die Thalassa und kurze Zeit später die Roald Amundsen. Die Thalassa beeindruckte uns sehr mit ihrem blauen Rumpf, den weißen Masten und dem bauchig geschwungenem Heck, das uns am meisten an ein altes Segelschiff erinnerte. Die Roald sah unserem Schiff sehr ähnlich und beherbergte auch ein Schwesterprojekt, nämlich High Seas High School. Die Thalassa dagegen fährt für ein niederländisches Projekt im gleichen Stile wie KuS.

Kurz vor unserem Auslaufen traf dann noch ein letzter Traditionssegler ein. Die Eye of the Wind, die von Oliver Pugget in seinem Buch: „Windjammer“ als eines der schönsten Schiffe bezeichnet wird. Leider lag sie ein ganzes Stück von uns entfernt und wir konnten sie nicht besichtigen.
Dann ging es schon los. Über den Atlantik. Alleine, ganz alleine. Oder auch nicht?

Eines Tages erspähten wir in der Ferne drei hohe Masten. Es war die Sea Cloud, eine der größten und luxuriösesten Segelyachten. Zudem ist sie ein Traditionssegler.

Angekommen in der Karibik begegneten uns dann erst einmal keine Traditionssegler. Im Hafen von Grenada lagen aber viele Luxusyachten. Es ging weiter nach Panama und dort trafen wir auch schon wieder auf die nächsten. Beim Einlaufen in den San Blas Inseln erspähten manche von uns ein anderes Schiff, aus Holz und das besondere: Sie war nicht auf dem AIS. Normalerweise trafen wir bisher immer nur auf Schiffe mit AIS, weswegen wir über unsere elektronische Seekarte ihren Standort kannten und noch dazu jederzeit Daten zur Länge, Höhe etc. abrufen konnten. Dieses mysteriöse Schiff war die Alliance. Wir trafen sie ein zweites Mal in Bocas del Toro, und dort kamen wir nah genug an sie heran, um ihren Namen in Erfahrung zu bringen.

In Panama begegneten wir aber auch der Regina Maris erneut. In der Bucht von Portobelo lagen wir ein paar Tage neben ihr und eines abends kamen die Schüler auch einmal mit ihren Dinghis herüber und luden uns zu sich aufs Schiff ein. Wir ließen uns das nicht zweimal sagen und fuhren mit ihnen an Bord des Seglers. Mit ihrem Seglerrumpf und der schnittigen Form konnten wir auch die Regina sehr wertschätzen.

Dann ging es wieder los. Zuerst nach Panama, dann nach Kuba und schließlich nach Bermuda. Auf der ganzen Strecke trafen wir noch die Regina mehrere Male, wie in Bocas del Toro und in der Marina Hemingway auf Kuba.

Auf Bermuda durften wir dann noch einen Traditionssegler kennenlernen. Die Picton Castle, ein kanadisches Schiff. Die Crew begrüßte uns gleich sehr nett am Kai und lud uns herzlich zu einer Besichtigung ihres Schiffes ein. Von diesem Schiff wurden auch manche von uns verzaubert. Es hatte ein Holzdeck. Ich meine: ein Holzdeck!! Dazu kommt, dass man beim Rudergehen neben dem Ruder steht, was ein bisschen an den Film Master und Commander erinnert. Der Anker wird mit Handkraft gehievt und viele ihrer Rahen sind aus Holz. Dieses Schiff war unter all denen, die wir auf dem Weg gesehen hatten, etwas ganz besonderes.

Die Picton hatte außerdem eine typische Form mit Poopdeck und Back auf einer Höhe, doch das Beste war das laufende Gut. Die Tampen bestanden aus echten Naturfasern, also alles natürlich und keine chemischen Bestandteile. Dadurch sind sie doppelt so rau wie unsere und wenn die Tampen nass werden, müssen sie gefiert werden, da sie zusammenschrumpfen. Die Segel waren auch von einem Segelmacher von Hand, aus natürlichen Materialien genäht worden.

Als wir uns so begeistert von ihrem Tuch zeigten, schenkten sie uns einfach ein paar ausgemusterte Bahnen Segeltuch. Unter Deck konnten wir leider nur die Messe anschauen, da sie sich das Schiff gerade in der Werft befand und dadurch noch ziemlich unordentlich war. Die Messe war aber wunderschön. Alles ist mit Holz verkleidet und die Kojen der Trainees befinden sich in der Messe. Der Kapitän und die Steuermänner besaßen außerdem noch eine eigene Messe!

In der Messe hing auch eine Karte, in der wir die Reiseroute der Picton sehen konnten. Bald bricht sie nämlich zu ihrer siebten Weltumsegelung auf, die 14 Monate dauern wird.
Zwei Tage später lud uns die Crew der Picton Castle dann auch zu einer Jam-Session an Bord ein. Das war ein Abend! Wir sangen und spielten irische Songs mit wunderschönen Geigen, deutsche Lieder und natürlich hauptsächlich englische Shantys. Jeder konnte irgendwie mitspielen, ob mit Instrument, Gesang oder Percussion.

Das ist ein sehr schöner Teil der Seefahrt. Alle Besatzungen von Traditionsseglern, denen wir bisher begegnet sind, waren total offen und um Austausch bemüht. Wir konnten ziemlich viele der Traditionssegler besichtigen und haben auch so ein kleines Gespür für sie bekommen. Dadurch, dass die Thor unser Zuhause ist, können wir uns vorstellen wie es sein muss, auf einem anderen Segler zu leben, und so manchen hat jetzt auch die Lust gepackt, sich bei nächster Gelegenheit wieder einzuschiffen. Wir überlegen schon, ob wir die Thor einmal chartern wollen, um eine postKuSreise zu machen.

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