Atlantiktaufe auf der Thor

Benedikt

Datum: 28.11.2018
Mittagsposition: 14° 14,2‘ N; 049° 38,4‘ W
Etmal: 131 sm
Wetter: Lufttemperatur: 29°C; Wassertemperatur: 27,5°C; Wind: ENE5
Autor: Benedikt

Oft denkt man im Leben, man hätte schwierige Aufgaben zu lösen. Ob in der Schule, während einer Klausur oder bei der Arbeit eine kryptische Anweisung des Chefs, überfordernde Situationen gibt es genug. Aber das alles ist nichts im Vergleich zu der (zugegebenermaßen selbst auferlegten) Aufgabe, einen Blogeintrag zu schreiben, über ein Thema, das man nicht erklären darf. Nun, genau so verhält es sich, wenn man einen Text über die Atlantiktaufe verfasst. Warum? Über die Atlantiktaufe darf nur mit Menschen gesprochen werden, die diese selbst bereits erlebt haben. „Staubgeborene Luftatmer“ sind nicht würdig, Informationen über dieses Thema zu erhalten. Trotzdem werde ich versuchen, wenigstens die Atmosphäre etwas näherzubringen.

Natürlich wussten wir bereits seit Längerem, dass wir irgendwann diese Etappe von Neptun besucht und getauft werden. Aber auch uns wurden vorher keine genauen Informationen gegeben. Selbstverständlich kursierten Gerüchte. Manche waren der Meinung, wir werden eingesperrt, hinter dem Schiff hergezogen oder an den Füßen am Mast aufgehängt (diese Beispiele wurden zufällig ausgewählt und sollen nicht als Bestätigung oder Verneinung dienen). Entsprechend groß war die Anspannung, als wir von Neptun eine Flaschenpost erhielten mit Informationen, wann wir uns in Badekeidung zu versammeln hatten. Nun sitzen wir also alle dicht gedrängt in der Messe und schwitzen vor uns hin (bei 27°C Wassertemperatur ist es unter Deck entsprechend heiß), als es anfängt, laut zu werden. Eine Zeit lang hört man nur lautes Scheppern, Trommeln und Schaben.

Die Nervosität steigt immer weiter an. Plötzlich ist es leise, ein erster Name wird gerufen und unserer Mathelehrer Paul verlässt uns unter Applaus in Richtung Deck. Sobald er nach draußen tritt, wird es wieder laut, sodass wir nicht mitbekommen, was mit ihm geschieht. Kurze Zeit später verlässt uns der Nächste, dann noch Einer. Unter den verbliebenen entstehen immer wieder kurze möchte-gern-entspannte Gespräche über tagesaktuelle Bordthemen. Meist ebben sie jedoch nach kurzer Zeit wieder ab, weil es im Moment niemanden wirklich interessiert. Irgendwann ist dann der Zeitpunkt gekommen: Der eigene Name wird aufgerufen. Halbwegs spürt man noch die schulterklopfenden Hände der anderen, hört das erleichterte Ausatmen jener, die nicht genannt wurden. Dann geht es den Niedergang hoch. Stufe für Stufe, wie in Zeitlupe, bis alle dreizehn geschafft sind und man den Kopf in die frische Luft strecken kann. Freundlich wird man von unserem Kapitän begrüßt. Erleichterung macht sich breit; so schlimm kann es dann ja nicht sein. In diesem Moment spürt man entsetzt, wie man von Händen ergriffen und hochgehoben wird. Die Taufe beginnt.

Das war sie also, die berühmte Neptunstaufe. Neptun und sein Gefolge haben uns wieder verlassen. Dazu gehörten seine Frau Thetis, eine Friseurin, zwei Gehilfen sowie eine Krankenschwester. Für nähere Erklärungen bedarf es nur, den Atlantik per Schiff zu überqueren. Eine Taufe hat als logische Konsequenz natürlich auch Taufnamen. Wir alle sind deshalb nun Namensvettern von Meereslebewesen. An Bord gibt es nun also zum Beispiel einen Kletteraal, einen Hammerhai, einen Ozeandoktorfisch und einen Rotfeuerfisch. Außerdem eine Tanzgarnele, eine Süßlippe, einen Lachmanta, einen Schönen Haarstern und auch einen Trompetenfisch. Zu überlegen, wie diese Menschen vorher geheißen haben könnten, bleibt jedem selbst überlassen.

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