Beginn einer neuen und letzten Etappe

Clara

Datum: 01.04.2019
Mittagsposition: 41°15‘ N, 021°31,2‘ W
Etmal: 102 sm
Wetter: Lufttemperatur: 14°C, Wassertemperatur: 13,5°C, Wind: NNE 6-7
Autor: Clara

Wir schreiben den ersten April, noch genau 20 Tage bis zum Einlaufen in Kiel. Diese 20 Tage, die übrigens auch in vielen Tagebüchern mitgezählt werden, bedeuten vor allem den immer näher rückenden Abschied, stehen aber auch für einen Beginn. Denn mit dem Auslaufen aus Horta startet für uns eine neue und dieses Mal auch letzte Etappe.

Auf den ersten Blick klingt das so abschließend: Azoren – Kiel. Kein neues unbekanntes Land hinter dem Bindestrich, sondern der deutsche Hafen, in dem alles begann. Statt Wärme und Palmen erwartet uns unser altes Zuhause. Eine Schule mit festen Tischen, auf denen nicht alles herumrutscht, langersehntes Wiedersehen mit Freunden und natürlich unsere Familien, die wir nun sechs Monate nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Auch das Tagezählen hat deshalb nicht nur etwas Negatives, sondern bringt bei vielen auch Vorfreude mit sich. Besuchspläne werden geschmiedet und beim Mittagessen wird vom Essen daheim geredet. Mit jedem Tag rückt das vertraute Zuhause näher.

Trotzdem, oder gerade deshalb, steht besonders das Wahrnehmen und Genießen der Etappe während der Wachbesprechungen im Mittelpunkt. So wurde zum Beispiel in meiner Wache 2 über Dinge geredet, die wir noch bis Zuhause machen wollen. Noch einmal ganz hoch auf den Mast klettern, glasen, alle drei Mastgeheimnisse kennen, oder das eigene Gericht in der Backschaft kochen.

Aber obwohl diese Etappe nicht anders erscheint als eine, die in Richtung Süden geht, haben sich manche Dinge doch entscheidend geändert. Statt Unterricht steht nun täglich eine Stunde Additum auf dem Programm, um uns auf die Schule Zuhause vorzubereiten. Das heißt, nicht wie früher der Tageswechsel Wache / Schule, sondern jeden Tag sechs Stunden auf dem Achterdeck zu verbringen, um das Schiff zu fahren. Auf Grund der verschiedenen Unterrichtsgruppen waren wir bisher auch immer in den Wachen geteilt, sodass meist nur drei Schüler Wache gegangen sind. Auf dieser Etappe ist es ähnlich wie auf der ersten, die sich ja auch nur mit dem Segeln beschäftigte. Wir sind wieder acht beziehungsweise neun Schüler pro Wache. Aber auch die Wacheinteilung verlief dieses Mal anders, denn wenn bisher die Wachzeit danach zugeteilt wurde, welche man noch nicht gegangen war, konnten wir dieses Mal ganz frei wählen. So hatten wir die Möglichkeit, entweder nach Wunschpersonen oder der Lieblingswachzeit über unsere kommende Wache zu entscheiden.

Ähnlich war es auch bei der Kammereinteilung. Hier konnten wir, abgesehen von den geltenden Bordregeln, ganz frei entscheiden. Weder die Weckzeit noch die Vorgabe, mit anderen Mitschülern zusammenzuwohnen, spielte eine Rolle. Auch der Kammerumzug an sich hatte etwas Besonderes, aber auch Trauriges an sich. Denn wir wussten, das nächste Mal, dass wir unsere Sachen aus der Kammer tragen, würde bei der Ankunft in Kiel sein: das letzte Mal die Betten wechseln und zum letzten Mal die Kleidung in Fächern statt in dem gewohnten Kleiderschrank verstauen. Das brachte bei vielen einen Anflug von Wehmut mit sich, aber gleichzeitig brachte es uns oder mich zumindest dazu, mich endgültig auf die noch bleibende Zeit zu konzentrieren.

So wird jetzt viel Zeit in den Kammern, aber auch in der Messe verbracht, was aber auch an der Kälte liegen könnte. Erneut werden die Spielkarten rausgekramt und in den Kojen wird bis in die späte Abendstunden gequatscht, was aber auch an der immer größer werdenden Kälte liegen könnte – vielleicht aber auch daran, das wir alle noch möglichst viel Zeit mit den anderen Menschen verbringen wollen.

Generell ist es mit der Zeit jetzt so eine Sache. Auch wenn die Tage wie eine Begrenzung gelten, versuchen wir nicht nur in die Zukunft zu denken, sondern noch im Hier und Jetzt zu leben, noch die Dinge zu machen, die nur an Bord möglich sind, wie Laurent, dem Bootsmann zu helfen, oder in der Freizeit ins Rigg zu gehen. Durch die vollen Wachen und den fehlenden Unterricht bleibt auch allgemein mehr Zeit für uns. Denn mit der Ankunft rücken auch Sorgen immer näher. Angst, den Kontakt zu verlieren oder vor Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg in der Schule. Doch da wir wahrscheinlich alle ähnliche Gefühle zu den Themen haben, hilft es, gemeinsam darüber zu reden. Aber auch nach der Wache oder kurz vorm Einschlafen wird sich meist Zeit zum Denken genommen, zum Reflektieren der letzten sechs Monate und zum persönlichen Abschließen der Reise. Denn mit dem Auslaufen aus Horta ist auch der letzte große Landaufenthalt abgeschlossen und nun heißt es Kurs Ost.

Und obwohl es „nur“ noch 20 Tage bis zur Ankunft in Kiel sind, ist diese Etappe noch einmal sehr besonders für uns alle. Wir sind alle noch einmal näher aneinander gerückt und besonders in der Messe hat die Spielzeit wieder begonnen. Auch trotz einigen Sorgen werden die letzten zweieinhalb Wochen noch einmal richtig genossen!

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