Von Großreinschiff und schwappendem Kuchen

Julia

Datum: Samstag 02.11.2019
Mittagsposition: 40° 49,2‘ N; 009° 24,9’ W
Etmal: 118 sm
Wetter: Lufttemperatur: 18°, Wassertemperatur: 17,5°C Wind: SW 3
Autor: Julia

Dass Samstag ein anstrengender, aber trotzdem interessanter Tag werden dürfte, war allen bereits Freitagabend klar. Denn Großreinschiff und die folgende Abnahme durch den gewählten Schiffsrat waren angesagt. Als erstes stand jedoch Frühstück an, welches die Backschaft, wie jeden Tag mit Liebe für alle zubereitete. Nach einer kurzen Schiffsversammlung, in der wir das Wetter, besonders die Winde, für die nächsten Tage erfuhren, begab sich jede einzelne Wache nach ausgerufenem Großreinschiff an ihre zugewiesenen Stationen. Da diese jede Woche variieren und nach Samstag wechseln, wussten alle über ihren Bereich bestens Bescheid und kannten demnach die Ecken, wo sich häufig Schmutz ansammelt. Anschließend trafen sich Schüler und Stamm noch auf dem Achterdeck, um Verbesserungen, aber auch positive Rückmeldung zu der Putzaktion durchzusprechen. Glücklicherweise blieb die Kritik eher im Hintergrund, da trotz erstem Großreinschiff auf See nichts ungeputzt blieb und vieles sehr gut beachtet wurde, beispielweise wurden in den Kammern die Betten glatt und sauber gerichtet.

Es folgte die Lost & Found Versteigerung, bei der alle verlorenen, nicht aus der Fundkiste abgeholten Gegenstände, für 50 Cent vom Besitzer zurückerworben werden können. Wenn sich kein Eigentümer finden lässt, wird das Fundstück für mindestens 50 Cent versteigert, höhere Gebote kommen allerdings ziemlich häufig Zustande, vor allem KUS-Kleidung oder Taschenlampen waren hoch im Rennen. Die Erträge werden dann an die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger“ gespendet. Laut Ruth haben manche Jahrgänge diese Organisation großzügig unterstützt, momentan sieht es bei uns nicht sonderlich anders aus. Eine weitere Tradition auf der Thor ist ein Seemannsbrauch namens „Besan-Schot-an“, der jeden Samstag stattfindet.

Wenn das Besansegel beim Einlaufen in einen Hafen als letztes fertig gepackt war, entließ der Kapitän mit einer kleinen Runde Getränke auf seine Kosten die Seeleute in den Hafen. Zu diesem Brauch zählt des Weiteren der Tost des Kapitäns, der in diesem Fall der überquerten Biskaya und dem erfolgreich umgangenen Hurrikan „Pablo“ galt. Als besonderes Getränk gab es diesmal selbstgepressten Apfelsaft, mit der die Mannschaft auf das Geschaffte anstieß. Dies wurde mit Entzückung begrüßt. Der erste Schluck ist jedoch für Neptun! Beim Nippen am Glas ertönten Sprüche wie „Auf Gesundheit!“, „Darauf, dass uns die Seekrankheit erspart bleibt!“, oder „Auf die Liebe und auf die Seefahrt und dass sich beides nicht im Weg stehen möge!“.

Des Weiteren fand noch eine Schülerversammlung statt, in der wir aktuelle Themen, Konflikte und Wünsche besprachen. Dabei ging es primär um das Feedback für unsere bereits vor Reisebeginn vorbereiteten Referate.

Am nächsten Tag wurden zwei Geburtstage gefeiert. Das hieß für die Backschaft: Kuchen backen! Geplant war ein großes Blech Schokoladen-Käse Kuchen, der Teig war bereits am Vortag vorbereitet worden, nur noch die Käse Creme musste angerührt und das Blech mit allem im Backofen brutzeln. Dies stellte sich jedoch mit Seegang als nicht gerade einfach heraus, denn im Ofen schwappte die Flüssigkeit bei der nächsten großen Welle über. Dieser musste also geputzt und der Kuchen herausgenommen werden. Nach erfolgreicher Säuberung des Ofens und einer halben Stunde Backzeit passierte jedoch das nächste Unglück. Beim Herausnehmen rutschte das Blech aus der Hand, die Creme war endgültig von dem Teig separiert und nach erschrockenen Blicken, gefolgt von schallendem Gelächter war Improvisieren angesagt. Kurzfristig wurde Sahne geschlagen, Kirschen auf dem noch zu rettenden Schokoladenboden verteilt und die restliche, übrig gebliebene Creme in eine Tupperbox mit der passenden Beschriftung „verkackter Kuchen“ in den Kühlschrank gestellt. Trotz nicht vorhandenem Käse-Schokoladen Kuchen war jeder mit der Kreation zufrieden. Auch den Geburtstagskindern zauberte die Geschichte des „Verkackten Kuchens“, vor allem die Umschreibung der schockierten Gesichter der Mitbackschaftler beim Absturz des Bleches, ein Lächeln ins Gesicht. Ob Neptun uns diese Welle wohl extra geschickt hat?

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