Ich liebe den Ausguck!

Lena

Datum: 27.11.2019
Mittagsposition: 18°55,5’N, 024°08,2‘W
Etmal: 120 sm
Wetter: Lufttemperatur: 23,5°C Wassertemperatur: 24,5°C Wind: NE 3-4
Autorin: Lena

Für mich persönlich gibt es nichts schöneres als den Ausguck während der Wache zu übernehmen. Vielleicht mag die Vorstellung, die ganze Zeit auf der Suche nach Booten aufs Wasser zu schauen, auf den ersten Blick langweilig erscheinen, doch für mich ist der Ausguck ein Ort, an dem ich mich entspannen kann. Ich kann dort gut einfach mal meine Gedanken schweifen lassen.

Besonders die Nachtwachen sind perfekt geeignet dafür. Die einzigen Lichtquellen sind dann nur noch die beleuchteten Bulleyes, die warm ihr Licht ins Dunkel strahlen. Daher sieht man dann die Sterne viel deutlicher, als man sie so von zu Hause kennt. Sie leuchten wie tausend winzige Glühbirnen am Himmelszelt. Während sie so über mir leuchten, schaukeln unter mir die Wellen das Schiff mehr oder weniger doll hin und her.

Die einzigen Geräusche, die man dann noch hören kann, sind die gegen das Schiff schlagenden Wellen. Mit einem stetigen und für mich schon beruhigenden Glucksen umspielen sie den Rumpf der Thor. Zeitweise kommen sie auch als kleiner Schwall, der durch die Schlagklappen gespült wird, auf das Deck. Sie bringen kleine leuchtende Planktonteilchen mit sich, die so lange auf dem Deck funkeln, bis sie von der nächsten Welle wieder davon gespült werden und durch neue leuchtende Pünktchen ersetzt werden.

Auch der Wind, der in die Segel bläst und die Dirken in Bewegung setzt, sodass sie gegen das Segeltuch schlagen, ist zu hören. Es ist ein etwas dumpfer Klang, der ab und zu die Stille durchbricht. Einen ähnlich dumpfen, aber deutlich leiseren Laut geben die Tampen von sich, wenn sie durch die Neigung des Schiffes plötzlich mehr Belastung bekommen. Sie fangen beim Schwanken an zu ächzen und zu knarzen.

Nur in der Nacht gibt es diese Stille, in der man die Möglichkeit hat, all solche, vielleicht erst unscheinbar erscheinenden Laute wahrzunehmen und doch hat es – jedenfalls für mich – eine Wirkung, wie sie sonst nur Tauchen bei mir hat. Es ist das Gefühl, in einer imaginären Blase zu sein, sodass alles um einen herum an seiner Wichtigkeit verliert und man vollkommen den Moment lebt.

Doch es braucht Zeit, um sich an die nächtlichen Geräusche zu gewöhnen. Sie waren mir erst fremd und das, was sich jetzt für mich so beruhigend anhört und auch anfühlt, war am Anfang ungewohnt und zeitweise auch beängstigend.

Beim Lauschen und beim Beobachten der Sterne kann ich sehr gut einmal aus dem manchmal sehr eng getakteten und hektischen Bordalltag entkommen und mir etwas Zeit zum Nachdenken nehmen.

Doch auch tagsüber hat der Ausguck meiner Meinung nach sehr entspannte Seiten. Zwar werden die ruhigen, kleinen Geräusche, die in der Nacht auffallen, vom Bordalltagslärm überschattet, doch das beruhigende Schwanken bleibt. Während man den Blick auf der Suche nach Schiffen und Bojen über den Horizont schweifen lässt, wird einem bewusst, wie groß und mächtig die Natur, und wie klein man selber ist.

An manchen Tagen sieht man ganz viele Schiffe, an manchen nur ganz vereinzelt welche und dann gibt es noch die Tage, an denen man nichts sieht, wobei nichts meiner Meinung nach eigentlich gar nicht das richtige Wort ist. Man kann häufig den strahlend blauen Himmel und die endlose Weite des Meeres sehen. Wenn Wolken am Himmel auftauchen, kann man diese beobachten und sehen, wie schnell sich ihre Formen verändern können.

Manchmal hat man tagsüber auch das Glück, sich im Ausguck zu befinden, wenn eine Delfinschule auftaucht und das Schiff begleitet. Genau dann hat man den besten und bequemsten Platz, um sie zu beobachten.

Ich persönlich finde, dass der Ausguck tagsüber zum Beobachten perfekt geeignet ist. Nachts allerdings ist es für mich der beste Ort, um nachzudenken und manchmal auch, um mir über Sachen klar zu werden.

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