Zwei neue Nachrichten

Lukas

Datum: Sonntag, 15.03.2020
Mittagsposition: 35° 29,3‘ N, 055° 20,8‘ W
Etmal: 108 sm
Wetter: Lufttemperatur: 20°C, Wassertemperatur: 19°C, Wind: WSW 4-5
Autor: Lukas

Der 14.03. verlief wie ein ganz normaler Samstag auf See. Die Unterrichtsgruppe B hatte Unterricht, aber Gottseidank nur den halben Tag und Unterrichtsgruppe A hatte Wachtag. Soweit so gut. Am Nachmittag gab es ein Großreinschiff und dann endlich wieder nach langer Zeit ein Besanschot-an. Die Lost and found-Kiste wurde geleert, es gab kulturelle Beiträge, kurzum ein nettes Beisammensein.

Heute (am Sonntag) dann die Nachricht: „Schiffsversammlung um halb zwölf auf dem Achterdeck“. Ok, kann schon mal so spontan vorkommen, also nix besonderes.

Da saßen wir alle eng beieinander, die Augen zur Steuerbord Backskiste gerichtet, wo Detlef zusammen mit Emma vor einer großen Tafel saß. Diese war vollbehangen mit Wetterkarten. „Okay, Emma hat ein paar Informationen zum Wetter für euch“, beginnt Detlef. „Ja, also wir bekommen in der Nacht von Samstag auf Montag eine Kaltfront zu spüren. Das heißt Windstärke 7, Böen können 9 Windstärken bekommen und es wird circa fünf Meter Dünung erwartet.“ „Heißt für uns“, beginnt Detlef wieder, „dass wir Verschlusszustand bei den Kammeroberlichtern herstellen müssen.“ Aha, mehr Seegang. Macht mir im Prinzip aber nichts aus. Bloß doof, dass ich am Dienstag Backschaft habe, das wird lustig bei dem Seegang… Und noch eine zweite wichtige Nachricht“, setzt Detlef weiter fort, „Wir haben in den letzten Tagen richtig viele Nachrichten wegen Corona bekommen. Die Schulen in Deutschland sind bis auf weiteres dicht, öffentliche Veranstaltungen abgesagt und man hält prinzipiell Abstand und gibt sich nicht mehr die Hand.

Wir sind wahrscheinlich eine der letzten Schulen die noch Unterricht haben. Ruth hat mir auch ganz viel geschrieben. Die Welt­gesundheits­organisation hat den Virus als Pandemie eingestuft. Die Regierung rechnet damit, dass ungefähr 70% der Bevölkerung von Corona betroffen sein werden. Wir sind hier mitten auf dem Atlantik zwar sicher, aber trotzdem wird das Auswirkungen auf unsere Reiseroute haben. Denn für Yachten und Kreuzfahrtschiffe besteht auf den Azoren bis zum 31.03. ein Einlaufverbot. Auch für uns, jedoch haben wir echt Glück, denn wir dürfen da trotzdem Wasser, Diesel und Vorräte bunkern. Wir schauen dann mal wie es weitergeht.“

Da waren wir erstmal alle baff. Als wir das erste Mal von diesem Virus gehört haben, hätten wir nie im Traum daran gedacht, dass wir deswegen nicht auf die Azoren einlaufen können. Und natürlich haben wir auch alle Bedenken wegen den Liebsten zuhause. Diesem Zuhause nähern wir uns auch täglich immer mehr. Seemeile für Seemeile. Ich weiß nicht, wie es für euch da draußen ist, aber an Bord hat das Thema Corona mittlerweile ganz schön viel an Redebedarf geweckt. Und ich muss sagen, was sehr paradox ist, hier draußen auf dem stürmischen und kalten Nordatlantik fühle ich mich mehr geborgen als zuhause in Deutschland.

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