Ohrfeigen, Sauspiele und Schokocreme- unser Quarantäneleben auf der Thor

Sophia

Datum: 13.04.2020
Mittagsposition: 50°10,5‘ N 005° 01,5‘ W
Etmal: 0 sm
Wetter: Lufttemperatur: 12° C; Wassertemperatur: 11°C; Wind: EzN3
Autorin: Sophia

Klatsch. Ahhhhhhh! Dumpf. Aua! Seit den Azoren hört man diese Geräusche immer öfter durch das Schiff schallen. Wenn man diesen Geräuschen folgt, sieht man eine Gruppe Kusis in der Messe auf und neben den Bänken stehen, sich gegenseitig anschreien und ohrfeigen. Immer kurz vor dem Abendessen probt der Theaterworkshop, angeleitet von Martin, unserem Mathelehrer. Fleißig geübt wird ein kurzes Stück mit dramatischem Ausgang, deshalb auch die Übungen zum richtigen Ohrfeigen und an den Haaren ziehen, natürlich alles nur Tricks und Kniffe. Am Ende sollen wir, die Zuschauer, dann selber zu Schauspielern werden und einzelne Sachen im Stück verändern und so die Situation versuchen zu deeskalieren. Dadurch wird herausgefunden, ob man als einzelne Person in eine gruppendynamische Situation eingreifen kann. Geht, braucht aber mehrere Anläufe.

Ein weiterer Workshop, ebenfalls von Martin, ist der Mathematikworkshop. Laut Miri machen sie dort komplizierte Sachen, wie Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen und dreidimensionale Funktionen. Der Workshop mache aber Spaß, „auch wenn einem manchmal der Kopf raucht“.

Für die kreativen Köpfe bietet Monja, unsere Spanisch- und Englischlehrerin, den Bastel- bzw. Näh- und Strickworkshop an. Anfangs nur als kleine Anregung und mit selbständiger Umsetzung gedacht, weil wir noch ziemlich viele Stoff, Wolle und Bastelsachen haben, bzw. hatten. Doch die zu Beginn noch überschaubare Zahl an Mitgliedern wuchs in kürzester Zeit. Sah man erst nur hin und wieder mal Leute in der Bib sitzen mit Stoff und Schere oder Häkelnadel und Wolle in der Hand, sieht man jetzt überall strickende, häkelnde oder nähende Kusis. Wer schon geübt im Umgang mit der Nähmaschine oder der Häkelnadel ist, fertigt in kürzester Zeit Sachen an. Es entstehen Scrunchies (Haargummies mit Stoff drum herum), kleine und große Taschen, Stirnbänder oder Schals. Wenn man noch nicht in die „Welt der Nadeln“ eingeführt wurde, wird einem das Handwerk von motivierten Kusis beigebracht und auch hier können erste Erfolge verbucht werden.

Der Trend beschränkt sich aber längst nicht mehr auf die Bib und die Messe, gelebt wird nach dem Motto „kreativ werden kann man überall“. Bei einer freien Minute während der Wache auf den Backskisten, in der Koje vor dem Einschlafen und und und.

Bleibt zwischendurch noch Zeit, die Nadeln mal aus der Hand zu legen, kann man sich von den Leckereien des Backteams, organisiert von Micha (Wachführerin von Wache 2) und Fee, kulinarisch verwöhnen lassen. So gibt es neben Keksen aus dem bayrischen Kochbuch, Lebkuchen aus den Thor Rezepten, auch eine Köstlichkeit aus dem Backbuch einer Exkusi. Zwecks dieser verließen 20 Tafeln Schokolade die Unterkoje in Kammer acht. So stand sonntags auf den Frühstückstischen statt Nutella „Luitella“. Der Name ist eine Kombi aus „Nutella“ und dem Namen der Autorin Luisa. Die, in alte Marmeladengläser gefüllte, Schokocreme war aber nur die Rohfassung. Der Backworkshop hatte Aufstriche, mit verschiedenen Verhältnissen von Kakao und Backpulver hergestellt. So waren wir, die Frühstücker, dazu aufgefordert ein Votum für eine Mischung abzugeben und die Mischung, mit den meisten Stimmen, gab es dann einige Tage später, beim nächsten Sonntagsfrühstück.

Zu angesagten Zeiten sammelten sich Kusis um der bayrischen Tradition auf den Grund zu gehen. Dem Schafkopfen. Mit Tafeln und Schaubildern wurden wir von Finn in die Welt der Geier, Wenze und des Sauspiels entführt. Nach ein paar Stunden wurden aus Laien echte Profis oder immerhin waren wir so weit, dass wir uns schon ans Spielen wagen konnten. Und auch hier blieb es nicht nur bei den Workshopstunden. Immer mehr Anfänger wurden in die abendlichen Schafkopfrunden mitaufgenommen.

Während die Schafkopfler auf der einen Seite der Messe sitzen, sieht man auf der anderen oft Kusis mit Laptops vor sich stehen. Gearbeitet wird dort an unserem Abschlussbuch. Beinhalten soll es am Ende Steckbriefe aller Kusis, Lieblingslieder, die besten Blogeinträge, lustige Sprüche und Zitate und vieles mehr. Deshalb hängen seit neustem laminierte Listen im Gang, bei denen man Striche für bestimmte Kategorien abgeben kann. Gesucht werden z.B. der unmotivierteste Reinschiffler, der beste Wecker oder die größte Naschkatze.

Durch diese Workshops und AGs haben wir ein bisschen Abwechslung in den Bordalltag gebracht und die Zeit, die wir nicht von Bord durften versüßt.

P.S. Alles, alles Gute nachträglich zum Geburtstag, Mami und Papi.

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