Datum: Montag, der 03.04.2015
Mittagsposition: 44° 13,0′ N; 018° 54,1′ W
Etmal: 148 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13,8° C, Wassertemperatur: 12,5°C, Wind: NNW 4-5
Autorin: Melanie
Ein ganz normaler Tag auf der Thor. Er beginnt für mich um halb zwei mit meiner Nachtwache, geht weiter mit einem Frühstück am Morgen, der Freiarbeit, dem Mittagessen, dem Reinschiff, der Wache am Nachmittag und endet mit dem Abendessen, ein paar Gesprächen und mehr oder weniger entspannten Vorlesestunden. Doch welche Gespräche werden eigentlich um drei Uhr morgens geführt, um wach zu bleiben? Oder bei einer der abendlichen Vorlesestunden? Genau diese Gespräche möchte ich mit ein paar Beispielen aufzeichnen:
Um drei Uhr nachts auf einer Backskiste:
A: „Hey, nicht einschlafen!“
B: „Ich schlafe nicht, mir ist nur so kalt. Stell Dir mal vor wir wären jetzt in einer Sauna…“
A: „Ja, da wäre es wirklich schön warm. Aber jetzt mal etwas anderes. Hättest du ein Problem damit, nochmals in den Ausguck zu gehen?“
B: „Oder ein warmes Bett…“
A: „Du kannst ja dort auch den Ententanz tanzen oder Dir sonst etwas einfallen lassen, damit Dir warm wird.
A: „Oder warmen Punsch…“
B: „Hallo?“
A: „Oder Glühwein…“
B: „Hey, aufwachen, nicht träumen!“
A: „Oh sorry, was hast du gesagt?“
Abends bei der Vorlesestunde eines mädchenhaften Buches in Kammer 7:
A liest B vor: „…Ich spürte, wie der Schwarm sich gegen meinen Willen auflehnte und versuchte, gegen ihn anzukommen…“
Die Tür geht auf und C kommt herein: „Ich habe keine Schokolade mehr! In den vier Tagen sind die zehn Tafeln irgendwie verschwunden.“ Pause „Was liest sie denn da vor?“
A: „Ist egal. Weiter im Text: Ich sah Ethans Gesicht – erst völlig ungläubig, dann blass vor Wut.“
Die Tür fliegt zum zweiten Mal auf und D kommt herein gestürmt: „Wo sind meine Gummistiefel?“
A erzählt ungerührt weiter: „…Sie machte eine entschlossene Geste und der Schwarm reagierte mit wütendem Summen…“
D: „B, ich muss aufs Klo, gib mir jetzt meine Gummistiefel!
A liest weiter: „…Ethan kicherte wie wahnsinnig über unseren Köpfen: „Tötet sie!“, kreischte er, als einige Käfer sich in ihr Opfer hinein fraßen, die sofort wild zuckend und schreiend zu Boden gingen.“
C: „Wer ist denn Ethan, die können den doch nicht nach einem Gas benennen.“
Von draußen ertönen Gitarrenklänge und der Gesang von ‚Spanish ladies‘ kommt durch die Tür.
B wimmert: „Sei nicht tot, bitte sei nicht tot. Sie muss doch noch bis zum fünften Teil aushalten!“
A: „Die Gestalt vor dem Thron war groß und elegant, hatte glänzende, silberne Haare und die spitzen Ohren des Feenadels.“
C: „Ich dachte der Prinz sähe so gut aus und nicht wie ein Opi!“
A: „Er sieht gut aus!“
C: „Aber doch nicht mit langen grauen Haaren! Und warum trägt die Prinzessin den Prinzen und nicht andersherum?“
A: „Mann, Feen können das eben!“
Von draußen tönt es: „…We are the world, we are the children…“
C ruft erfreut dazwischen: „Ich habe heute gar keine Nachtwache, ich habe morgen Praktikum!“
A: „…Er hob die Hand, legte sie an ihre Wange und streichelte sie…“
C: „Oh mein Gott, die draußen singen so schief!“
A: „Jetzt hört doch mal zu!“
„…We are the world, we are the children…“
A: „Ok, ich habe keine Lust mehr, ich gehe jetzt Zähne putzen, ich h a b e nämlich heute Nacht Nachtwache.“
C: „Was hast du gesagt?“
Durch diese Träumereien oder sehr ungewöhnliche und vielleicht nicht ganz ungestörte Vorlesestunden wird der Alltag an Bord versüßt und wir kommen auch bei Eiseskälte und um drei Uhr morgens zum Lachen.