Vom Seegang und seinen Mitbringseln

schueler-justine-docxDatum: Mittwoch, der 19.10.2016
Mittagsposition: 51°30,9′ N; 002°06,4′ E
Etmal: 84 sm
Wetter: Lufttemperatur: 13° C, Wassertemperatur: 16° C, Wind: WNW 7
AutorIn: Jojo (Justine)


,,Haltet euch fest und sichert euch mit euren Gurten!“. Zwei gut gemeinte Ratschläge unserer Wachführerin Ruth, die heute des Öfteren auf dem Achterdeck und auch in allen anderen Ecken der Thor Heyerdahl zu hören waren. Wir hatten nämlich durch die Nachwirkungen des Hurricanes Nicole, der noch vor einiger Zeit in Florida gewütetet hatte, starken Seegang und Windstärke acht. Die Thor wird auf dem Wasser wie ein Papierschiffchen hin und her geworfen und die Wellen schlagen über das Deck. Die Gischt, die nach jedem Aufprall des Rumpfes in feinen Tröpfchen über das Deck fliegt, legt sich in feinen Salzkörnchen auf unseren Gesichtern ab und die starken Schiffsbewegungen erschweren alle Bereiche des Bordlebens.
Es ist beispielsweise gar nicht so einfach, sich ein Glas Wasser einzuschenken, wenn man gerade dabei ist, von einer Seite des Schiffes zur anderen zu fliegen. Abenteuerlich ist es auch, wenn man beim Duschen dem Duschstrahl hinterherrennen muss. Auch das Kochen in der Kombüse ist bei diesen Bedingungen kein leichtes Unterfangen, da man die Töpfe weder ganz füllen noch ungesichert irgendwo stehen lassen kann. Selbst beim Laufen ist man durch den Seegang stark beeinträchtigt, so schwankt man z.B. wie ein Betrunkener und wird von einer Seite zur anderen geworfen, wobei sich ein unsanfter Kontakt mit Türen und Wänden nur schwer vermeiden lässt. All das konnten wir allerdings noch mit einem Schmunzeln handhaben und es entstanden einige lustige Seegangsgeschichten.
Das wirkliche Schlimme an dem beständigen Schaukeln war eigentlich, dass viele von uns der Seekrankheit zum Opfer fielen. Überall an Deck waren kreidebleiche Gesichter zu sehen und fast in jeder Ecke traf ich jemanden, der verzweifelt auf den Horizont starrte. Die Messe, unser Wohn- und Esszimmer, blieb auch zu den Mahlzeiten relativ leer und unser Zwieback und Salzstangenvorrat verringerte sich von Stunde zu Stunde. Denn auch wenn den Seekranken der Appetit vergangen war, mussten diese natürlich Nahrung und vor allem Flüssigkeit zu sich nehmen. Da Zwieback und Salzstangen bei Übelkeit gut zu vertragen sind und den geschwächten Körper nebenbei noch mit verschieden Salzen versorgen, halfen alle Gesunden tatkräftig mit, um die anderen mit Essen und Trinken zu versorgen. Wir versuchten, den Seekranken Trost zu zusprechen und ich persönlich denke, dass es gerade diese Situationen sind, die unseren Gruppenzusammenhalt stärken und zeigen, dass wir nun eine große Gemeinschaft sind, in der jedes Glied eine wichtige Rolle spielt. Die Seekranken konnten sich darauf verlassen, dass ihnen Aufgaben, die sie selbst gerade nicht erledigen konnten, von den anderen abgenommen werden. So konnten sich alle von der Übelkeit Geplagten voll und ganz darauf konzentrieren, schnell wieder fit zu werden, was die meisten als große Erleichterung empfanden.
Mir persönlich hatte der Seegang nichts ausgemacht und so konnte ich meine Wachaufgaben erledigen und die freie Zeit nutzen, um einige Erfahrungsberichte für meinen Blogeintrag zu sammeln. Abschließend kam ich dann zu dem Schluss, dass diese Situation genau zu folgendem Spruch passt: ,,Jeder tut das was er kann, und jeder hilft dem Nebenmann.“

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