Die Schiffsübergabe als Kapitän

Carl

07:15 Bergen Baumfock
08:20 Bergen Schoner, Groß und Mars
08:30 Anlegemanöver an Penno‘s Wharf, Bermuda

Fest mit Bb mit 3+2 (d.h. drei Vor- und Achterleinen sowie zwei Vor- und Achtersprings, das sind die Leinen, die von vorn/achtern Richtung „Mitte“ gehen)

Man kann das Gefühl nicht beschreiben, das mich da überkam, als wir endlich in Bermuda ankamen. Zwar ist Detlef natürlich das Anlegemanöver gefahren, aber zu wissen, dass die Thor sicher vor dem Sturm den Hafen erreicht hatte, war echt erleichternd, als ob der Druck, der einem auf den Schultern lastet, innerhalb von einem Moment von 1020 auf 985 hpa gefallen ist, was er ja auch innerhalb der letzten Woche getan hatte.

Erst einmal von vorn: Am Montag um 15:00 Uhr wurde mir das Schiff von Detlef per Händeschütteln übergeben, nachdem wir, also Malte, Benno, Leon und auch noch ein paar andere die gestellten Aufgaben gelöst und vorgestellt hatten. Dazu gehörte zum Beispiel die aktuelle Wetterlage, die zu steuernden Kurse bis Bermuda und wie lang wir noch segeln könnten.

Die Schüler/innen- Projektleitung musste als Aufgabe zum Beispiel den Wachplan während der Schiffsübergabe, oder der Proviant den ungefähren Speiseplan ausarbeiten. Alle technischen Geräte zur Navigation wurden versiegelt und von nun an hieß es für uns allein mit astronomischer Navigation zu den Bermudas gelangen. Gleich nach der Schiffsübergabe hatten wir also schon die Sextanten in der Hand und schossen die erste Sonne und abends die Sterne. Ich hatte mich nachmittags noch einmal eingehend mit den Wetterkarten beschäftigt und vermutete, dass die nahende Kaltfront etwa mittags am nächsten Tag über uns ziehen würde und wir bei Tag kontrolliert eine Halse fahren sollten, da die Front eine Winddrehung von etwa 120° bedeutete. Später lernte ich, dass man Kaltfronten nicht einschätzen kann, außer vielleicht zu sagen „in den nächsten 24 Stunden“.

Der erste Tag war eine interessante Erfahrung. Wenn irgendjemand eine Frage hatte, kam er/sie natürlich zu mir und erwartete auch eine schnelle präzise Antwort. Ich kann sagen, dass mir eben mal auf die Schnelle richtige Entscheidungen zu treffen und Fragen zu beantworten mit der Zeit immer leichter fiel.

Nachts um 3:35 Uhr – Wind dreht mit 7 bft, Kurs wird auf S geändert, um Wind an stb zu halten.
03:45 – Detlef löst Squall Drill aus und übernimmt das Schiff.

Das war der Moment, in dem auch ich wach wurde und mit Ölzeug und Gurt an Deck kam. Nachdem wir die Spitzen geborgen und zurückgehalst hatten, war ich dann offiziell wieder Kapitän und blieb noch etwa bis 7.00 Uhr wach und sorgte dafür, dass das Schiff wieder auf Kurs Bermuda lief und alles passte. Dann wurde ich von Benno überredet, mich noch eine Stunde vor meiner Wache hinzulegen.

Um 11:00 Uhr war die erste Schiffsführungsversammlung, das heißt dabei war die Bootsfrau Marlene E., der Maschinist Paul, die beiden Projektleiter Michi und Lenya, meine beiden Steuermänner (Malte und Benno) und ich. Detlef betonte, dass wir ab jetzt enger kommunizieren müssten, denn schon da drohte das Tief mit „Hurrican Force“. Leider war dann erst einmal nautischer Feiertag, sodass die erste beobachtete Position, also mit dem Sextanten, erst mit zwei Sonnenstandlinien um 13:00 war. Nachts um 00:00 am Ende meiner Kapitänswache war ich so fertig wie noch nie.

Donnerstags wurde um 15:00 Uhr das GPS mit dem astronomischen Ort verglichen. Unsere Besteckversetzung (d.h. der Winkel vom wahren Ort zum beobachteten Ort und die Entfernung in Seemeilen) war 112° und 4,6 sm. Das Wetter war sehr viel ruhiger als erwartet, da das Tief mit seiner Kaltfront noch nicht da war. Also konnten wir noch das Großstengestag und das Großtop sturmfest packen, und die restlichen Tampencoils sichern, damit der Tampen nicht lose außenbords hängt und sich um die Schraube wickelt. Abends erklärten wir dann nochmal in einer Schiffsversammlung die aktuelle Wetterlage und Detlef erklärte genau die Einfahrt nach St. Georges und warum wir bei 10 bft längst nicht mehr einlaufen können, sondern weiterfahren würden zu den Azoren. Also wurde das Schiff so seeklar wie noch nie gemacht, das heißt unter Deck lag nichts, absolut gar nichts, auf dem Boden (einzigartig, zeitlich limitiert etc.) und alles war fest gelascht (d.h. festgebunden). Außerdem hatte jede/r nochmal kontrolliert, dass sein/ihr Ölzeug, Gurt und Kleidung nachts im Falle eines zweiten Squall Drills jederzeit zugänglich war.

Morgens um 6:30 Uhr wurde dann allgemein geweckt und um 7:00 Uhr wurde ein Signal „K“ gegeben, das war der Moment, da Detlef das Schiff wieder übernahm. Beim Anlegemanöver lief fast alles reibungslos und nach dem Frühstück wurde das Schiff dann offiziell wieder per Händeschütteln übergeben.

Die Schiffsübergabe hat mir extrem gefallen und ich habe wahrscheinlich in einer so kurzen Zeit so viel nautisch dazugelernt und wichtige Erfahrungen gesammelt wie noch nie zuvor. Die Rolle des Kapitäns hatte sich immer natürlicher „angefühlt“. Wenn ich könnte, würde ich mich wahrscheinlich auch in der letzten Schiffsübergabe für einen Posten in der Schiffsleitung bewerben.

Fazit: Genug schlafen!!!

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