Ohne Worte

JasperMarc Philipp

Autoren: Jasper und Marc Philipp

Das Spanisch, welches wir in den acht Schulstunden auf der Thor gelernt hatten, würde für erfolgreiches Kommunizieren in Panama wohl kaum reichen, das wussten wir schon vor dem Landaufenthalt. Deshalb machten wir uns natürlich viele Gedanken, wie wir in den Gastfamilien leben oder auch überleben sollten. Wenn man nicht sagen kann, dass man gleich vor Hunger stirbt, dann stirbt man halt. Um dem vorzubeugen, mussten andere Kommunikationsmöglichkeiten als die verbale Sprache herhalten.

Als wir in Panama City zum Friseur gingen, hatten wir nicht bedacht, dass unser Spanisch die Vokabeln rund ums Haareschneiden, wie „Übergang“, „kürzer“ und „nein, nicht alles ab“ nicht beinhaltete. Glücklicherweise sind Kopfschütteln, Nicken und erschrecktes Starren auch in Mittelamerika anerkannte Sprachalternativen. Allerdings glaube ich nicht, dass die nette, überschwängliche Friseurin mein Streichen über die Seiten als Übergang erkannt hat. Gut war, dass der Friseur so günstig war, dass der Preis an einer Hand gezeigt werden konnte und so keine peinliche Situation entstand, dass man einfach irgendeine Geldmenge, die man für angemessen hielt, überreicht wurde. Eine weitere Kommunikationsform benutzte ich, als ich meiner Gastschwester erzählen wollte, dass ich keine Hunde mag und es erst erfolglos mittels verschiedener Gesten versuchte und dann durch Bellen meinem Gegenüber den Hund darstellte (es stellte sich heraus, dass dies besonders gut bei Spinnen funktioniert, obwohl das bei diesen Krabbeltieren mit den Geräuschen wahrscheinlich sehr schwierig werden würde/(wurde.. Hilfe!))

Doch über die Abende hinweg, in denen man sich in seinem Zimmer alleine in der Gastfamilie mal wieder verzweifelt selbst infragestellte, weil man die Frage des Gastvaters, ob die Kühe auf dem mitgebrachten Fotoalbum der Familie gehören, missverstand, und ihm versuchte zu erklären, dass das auf dem Bild gar nicht seine Familie sei, spürte man aber auch eine gewisse Sprachentwicklung des Spanischen ins Positive an sich selbst. Je nach Startsprachniveau der Person äußerte sich dieser Erfolg anders: Diejenigen, die schon länger Spanischunterricht genossen, oder gar Spanisch als Muttersprache haben, lernten auf jeden Fall vieles Neues, was sie aber auch in den indirekten Zwang, als Übersetzer agieren zu müssen, geraten ließ.

Diejenigen, die bis auf den Spanischunterricht auf der Thor bisher noch nie mit der Sprache in Kontakt gekommen waren, griffen immer wieder auf das Wort „Sí“ zurück, das dann den Hauptteil der Phrase bildete. Was eigentlich soviel wie „Ja“ heißen sollte, wurde auf abenteuerlichste Weise dazu zweckentfremdet, Zustände wie Hunger oder Müdigkeit zu signalisieren (übrigens zwei Grundkomponenten, die sich durch diese Reise ziehen). Laut Legenden kann man damit ganze Konversationen führen! Doch es gibt diese eine Situation, vor der solch ein exzessiver „Sí“ – Benutzer schon vom Hören Angstzustände bekommt, die sein Grundprinzip zerstört, die Überlebensbasis, er denkt sich, er hätte es doch schon kommen sehen, wieso ist er nicht vorher auf der Toilette verschwunden?! Richtig, gemeint ist der Moment, in dem ihm seine Gasteltern mal wieder etwas zureden, und es ist ja egal, ob Frage oder nicht, er hat sich nämlich schon feinsäuberlich eine passende Antwort zurechtgelegt: Sí, und dabei so schauen, als ob er es verstanden hätte.

Doch erste Ungereimtheiten treten auf: Die Eltern scheinen nicht zu verstehen, und um alles abzusichern fragt er einfach „Cómo?“, um es sich nochmal anzuhören, was für ihn eigentlich alternativlos ist, da er eh wieder mit seinem Freund und Helfer „Sí“ antworten wird. Doch auch diesmal scheinen sie dieses doch so simple Wort nicht zu verstehen, und berufen den Googleübersetzer mit ein! Inzwischen weiß die Person auch, dass das Problem an ihren Spanisch­kenntnissen liegen muss, er ist sich ziemlich sicher, dass die Panameńos das Wort „Sí“ sehr wohl verstanden haben, er wiederholt es sicher nicht noch einmal. Der Moment des Grauens ist eingetreten, zittrig liest er das schlechte Deutsch des Übersetzers: Die Familie wollte wissen, wie lange die Busfahrt von Panama City nach Boquete gedauert hat.

Summa Summarum war der Panamaaufenthalt kommunikationstechnisch sehr erfahrungsreich, manchmal spannend und immer lustig, und Gottseidank war das größte darzubietende Opfer eine raue Stimme, die das Spanische beherrschte, auf die aber auch immer weniger ausgewichen werden musste.

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